Parkhilfe

Talentiert eingeparkt oder gekonnt ausgeparkt? Oder einfach kreativ abgewrackt?

Oder

ist das Kunst oder kann das weg?

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Photographie © LuxOr

Relativitätstheorie

 

Wir haben

die gewaltigen Wassermassen

die verheerenden Waldbrände

den müden Wahlkampf

die neuer-lich abgestürzte MANNSCHAFT und

das unendliche Leid eines fernen Landes

gesehen.

Doch all das und noch viel mehr verblaßt, relativiert sich, verliert an Bedeutung, wenn man einen geliebten Menschen an das letzte Ufer begleitet und ihn hilflos gehen sieht …

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Photographie © LuxOr

 

Von Sternchen und diversem anderen Talmi

„ ( …) Ideologen vergessen, daß sie die wirklich bestehende Welt keineswegs bekämpfen, wenn sie nur die Phrasen dieser Welt bekämpfen.“

Georg Lukács (1885-1971)

Sonnen-Wonnen im Wonnemonat

Die Natur konnte endlich mal wieder aufatmen. Im gerade vergangenen Mai troff bei ungewohnt anhaltend frischen Temperaturen reichlich Nass vom Himmel herab, den viel zu lange schon abgesunkenen Grundwasserspiegel einmal wenigstens wieder spürbar zu heben. Aus diesem Grunde photopirschte ich auch viel zu selten in meinem bevorzugten Revier umher. (Mal ganz abgesehen von meiner momentanen Verzogenheit.)  Einige wenige hübsche Ausblicke drängten sich mir unter dem Pfingstwochenende aber doch auf. Was mich, hierher zurückgekehrt, endlich auf den Gedanken brachte, einmal wieder meine photographischen Maien-Dateien der vergangenen zwei Jahre  zu durchstöbern. Dabei förderte ich gar manches illustres Getier, Gesonn, Gegrün, Gebäum oder Gewölk nebst andrem gefühligen Schnappgeschossenem zutage, das den Betrachter (sorry, Mädels! :-)) durchaus frühlings-maiig stimmen mag. Vial Fraid der geneigten Gefolgschaft nun also an meinem bunten Reigen …

Photographie © LuxOr

Von wegen Feuerszungen

Heutzutage wird das allzu leicht mißverstanden. Gefühlt vergeht mittlerweile kaum ein Tag, an dem nicht die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben wird. Rasch ist man da mit Vorwürfen zur Hand; entweder wird jemand als Sexist, Rassist, Faschist oder Antisemit oder ähnliches mehr gescholten. Nur um sich selbst zu erhöhen, da man sich ja auf der moralisch einwandfreien Seite wähnt. Und daraus für sich das Recht ableitet, eine (nicht einmal zwangsläufig) kritische Stimme zu diffamieren oder gleich mundtot zu machen. Daß man dadurch den inhärenten Tatbestand nur verwässert und die eigentliche Gefährdung aus dem Blick verliert, kommt erst gar nicht in den Sinn.

Die Kehrseite der Medaille ist, daß ein derart pauschal Verunglimpfter, anstatt diesen künstlich aufgebauschten Furor konsequent zu ignorieren, sich auch noch genötigt fühlt, zu Kreuze zu kriechen und blumig Abbitte zu leisten. Oder zumindest meint, sich erklären und rechtfertigen zu müssen. Sozialistische Debattenkultur in Reinkultur. Das geht dann so weit, daß man sich im Vorhinein, in vorauseilendem Gehorsam einen Maulkorb auferlegt und sich selbst zensiert. Ein Bärendienst.

Jede noch so zweifelhafte selbsternannte Minderheit stilisiert sich zum Opfer, um auf diese Weise (Diskurs-)Macht zu generieren; Individualisierung ex negativo, ein großangelegtes Ablenkungsmanöver, da systemkonform. Und Macht, die im Zeichen einer vermeintlich höheren Moral dazu mißbraucht wird, den „Gegner“ persönlich anzugreifen, um seine Argumente abzuwerten. Und also ein Gespräch, eine Auseinandersetzung von vornherein zu unterdrücken. Die berühmt berüchhtigte „Alternativlosigkeit“ läßt grüßen. Uneingeschränkte Redefreiheit gebührt bloß noch den Gleichgesinnten. Die gesamte Gesellschaft eine einzige Filterblase, eine kaum noch kaschierte Gleichrichtung des Diskurses. Das propagierte Ziel des Schutzes der sozial-liberalen Demokratie wird damit aber ad absurdum geführt.

Solch ein Gebaren ist dabei insbesondere auf Seiten des links-grünen Spektrums zu beobachten (dem sich der Schreiber dieser Zeilen eigentlich in weiten Teilen verbunden fühlt. – Die kategorische Ablehnung der sogenannten „political Correctness“ auf der Rechten ist freilich auch entschieden abzulehnen). Nur wird dabei geflissentlich übersehen, daß es angesichts einer derart drohenden fragmentierten, weil überindividualisierten und überrreizten Gesellschaft immer schwieriger wird, die nicht gerade unbedeutenden (globalen) Herausforderungen der Zukunft, welche ein Mindestmaß an unvoreingenommenen und konsensbereiten Gemeinsinn erfordern, zu meistern. Von dieser Warte aus betrachtet, sägt die vereinigte Linke also an dem Ast, auf dem sie sitzt …

Wie ich einstmals ausgestellt wurde …

oder der fenestrale Zufallstreffer

Es war einmal ein Achtklässler (oder war es doch erst in der Neunten gewesen?), der war zeichnerisch gar tiefbegabt (und ist es auch heute noch). Nun begab es sich aber, daß sein Kunsterzieher am hiesigen Gymnasium der Klasse den Auftrag erteilte, malerisch einmal den Zufall walten zu lassen. Die absolute Freiheit also, die freilich auch überfordern kann: was soll man denn da so spontan auf den Bogen Papier pinseln? Andererseits war unser Held unbewußt wohl auch nicht unglücklich darüber, nichts Gegenständliches anfertigen zu müssen. So hub er denn an, planvoll planlos mannigfarbig über die Leinwand zu wischen. Alsbald schlich der schon etwas gebrechliche Lehrer zur Begutachtung durch die Reihen des Kunstraumes. Wie er dann bei unserem Anti-Künstler angelangt war, ließ er sich, wohl einer spontanen Eingebung folgend, das Malinstrument aushändigen, um mit unvermuteter Beweglichkeit hin und her, hoch und runter über das werdende akzidentielle Gemälde zu streichen. Und hieß seinen Eleven weitermachen.

Der artifizielle Zufall hatte mittlerweile eine leicht impressionistische Anmutung gewonnen. Hier und da schimmerte noch die Grundfarbe des Bogens, violett, durch. Im Zentrum freilich zerflossen die Farben in eine eigentümlich changierende Melange von Grün- und Ockertönen – mal mit gelb, mal mit orange und was weiß ich noch alles verschmelzend. Und damit unversehens an das frühlingshafte Farbenspiel der Natur erinnernd.

Der alte Meister fand jedenfalls Gefallen an dem grünlich schillernden Teppich seines Schülers. Der Randstreifen indes ward bis dato seltsamerweise unberührt geblieben. Was lag da also näher, als einen gräulich verwischten Rahmen anzulegen? Der jugendliche Pinselschwinger fügte schließlich noch zwei sich kreuzende Balken in das Rechteck ein, welche sich flüchtig bloß von der grünenden Flur abhoben. Und fertig war der Blick aus einem Fenster auf eine üppig sprießende Frühlingslandschaft. So weit, so gut.

Es war dann wieder einige Zeit ins Land gegangen, der fenestrale Zufallstreffer beinahe schon wieder in Vergessenheit geraten. Da begab es sich, daß das Zentenar der höheren Lehranstalt, an welcher der Schreiber dieser Zeilen sich mehr oder weniger talentiert durch die Schuljahre lavierte, ins Hause stand und angemessen begangen werden sollte. Und urplötzlich fand sich unser offenbar doch nicht gänzlich talentfreier Nachwuchs-Kunstmaler mit seiner spontanen Frühlingsimpression im Schaufenster des lokalen Buch-Großsortimenters ausgestellt. Ohne eigene Kenntnis, wie es sich denn dann tatsächlich zugetragen hatte, Man kann sich vorstellen, daß unser Jüngling bis dato noch nie mit mehr Stolz erfüllt war, als wie er sein eigenes Kunstwerk, nun noch dazu schön gerahmt, überraschend in aller Öffentlichkeit bewundern durfte.

Doch damit nicht genug. Sein inzwischen ehemaliger Kunsterzieher ließ unserem Erzähler gar die frohe Botschaft zukommen, daß sich drei Angestellte ebenjenes Buchhauses um einen Ankauf seiner floralen Aussicht bewarben. Der unverhofft begehrte Künstler traf sich dann auch tatsächlich mit einer potentiellen Kaufinteressentin. Jene zeigte sich allerdings nicht bereit, ein konkretes Angebot abzugeben, vielleicht ein verabredetes Manöver? Wie dem auch sei, der so Umworbene bat sich darob eine Bedenkzeit aus. Und unterzog sich, darin unterstützt von seiner Familie, einer gewissenhaften Selbstprüfung. Die alsbald in eine wohlbegründete Entscheidung mündete. Ein kurzfristiger, allerdings unbestimmter Geldsegen mochte ja schön und gut sein. Doch würde bei einem allfälligen Verkauf der wohl kurze, aber umso beglückendere Auftritt im Schaufensterlicht nicht bloß Episode geblieben sein und als solche unweigerlich rasch wieder in Vergessenheit geraten? Würde sich der Artist sofalls nicht um ein an sich unbezahlbares, da unwiederholbares Stück (assistierten) persönlichen Ausdruckes gebracht haben? Wogen endlich der Stolz, ja, auch eine gewisse Dankbarkeit nicht schwerer? Gedacht, getan. Aus tiefer Überzeugung beschied also der erfolgreiche Dilettant die geneigte Kundschaft, er wolle das Exponat nicht dem Kommerz opfern, sondern seinen Erstling behalten. Bis heute bereute er seine damalige Entscheidung auch nie. Der fruchtbare Ausblick hat seitdem seinen verdienten Ehrenplatz im Schlafzimmer seines Schöpfers und kündet dort auf immer von einem außergewöhnlich sehenswerten Zufall …

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Der fenestrale Zufallstreffer

Gemälde & Photographie © LuxOr

Danke, Ben!

Auf dem Eis wie auch im gewöhnlichen Leben.

THANK YOU ALL # 37

Originally tweeted by Ben Meisner (@ben_meisner) on 5. Mai 2021.

 

Ben Meisner: I’m not Connor McDavid

 

Bleibe tapfer und halte Dich wacker,

alles Gute und gute Gesundheit,

viel Freude und viel Sonnenschein im wartenden „real Life“.

 

In hoc signo …

vinces?

Eine Hauswand. Die Seitenfront gegenüber, um genau zu sein. Trotz der Farbe eigentlich ganz gewöhnlich, sieht man mal von einem voluminösen Lüftungsrohr ab, das am Rande eporsteigt. Etwa in deren Zentrum ist jedenfalls deutlich ein Kreis zu erkennen, etwas geneigt, vielleicht leicht oval, am Rande rechts scheinbar nicht wirklich geschlossen, eher diffundierend. Das kreisrunde Gebilde ist freilich nicht leer, nein. Einem Rad nicht unähnlich, kreuzen sich zwei zarte, geschwungene Streben, die sich in der Mitte gar noch prominent in einer Art festen Knoten verbinden.

Dieses merkwürdige Phänomen taucht seit einiger Zeit allmorgendlich bei Sonnenschein auf. Sicher, es handelt sich hierbei um eine Spiegelung. Deren Quelle, deren Ursache ich freilich bis dato nicht auszumachen vermochte. Kann das also noch Zufall sein? Was mag dies Zeichen dann aber bedeuten? Gemahnt es in seiner Form nicht an das Numinose? Ein Kreis, ein angedeutetes ‚Χ‘ – spricht hier nicht das Göttliche schlechthin, Jesus Christus gar, zu uns? Und welche Botschaft mag schließlich dahinterstehen? Ist es ein (Weck-)Ruf, eine Mahnung, eine Warnung? Oder spricht es uns vielmehr Beistand und Trost zu und Mut und Hoffnung …?


Auch für Ce, der heute Geburtstag gehabt hätte.

 

Photographie © LuxOr

 

Ein Gedanke …

Cogitor, ergo sum.

Ich werde gedacht, darum denke ich,

oder: ich werde gewollt (geliebt), darum bin ich.

Franz von Baader (1765-1841)

SW, VIII, 339


Frohe Ostern allüberall.

Und hoffentlich in der Gewißheit, daß Ihr Euch auch geliebt fühlt.

Photographie © LuxOr

Türenschlagen und Platzen von Papiertüten …

oder ein Schauspiel in drei Akten.

(anläßlich der Eröffnung des Superwahljahres heuer hier in Ba-Wü und R-P)

 

Die drei Lesungen des Gesetzes

1.

Jeder Staatsbürger hat das Recht –

Beifall

seine Persönlichkeit frei zu entfalten –

Beifall

insbesondere hat er das Recht auf:

Arbeit –

Beifall

Freizeit –

Beifall

Freizügigkeit –

Beifall

Bildung –

Beifall

Versammlung –

Beifall

sowie auf Unantastbarkeit der Person –

starker Beifall

2.

Jeder Staatsbürger hat das Recht – Beifall

im Rahmen der Gesetze seine Persönlichkeit frei

zu entfalten –

Rufe: Hört! Hört!

insbesondere hat er das Recht auf:

Arbeit entsprechend den gesellschaftlichen

Erfordernissen –

Unruhe, Beifall

auf Freizeit nach Maßgabe seiner gesellschaftlich

notwendigen Arbeitskraft –

Zischen, Beifall, amüsiertes Lachen, Unruhe auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden –

schwacher Beifall, höhnisches Lachen, Scharren,

Unruhe auf Bildung, soweit die ökonomischen Verhältnisse sie sowohl zulassen als auch nötig machen

Starke Unruhe, Murren, unverständliche Zwischenrufe, Türenschlagen, höhnischer

Beifall

auf Versammlung nach Maßgabe der Unterstützung der Interessen der Mitglieder der Allgemeinheit –

Pultdeckelschlagen, Pfeifen, allgemeine Unruh, Lärm, vereinzelte Bravorufe, Protestklatschen,

Rufe wie: Endlich! oder: Das hat uns noch gefehlt!, Trampeln, Gebrüll, Platzen von Papiertüten

sowie auf Unantastbarkeit der Person – Unruhe und höhnischer Beifall.

3.

Jeder Staatsbürger hat das Recht,

im Rahmen der Gesetze und der guten Sitten

seine Persönlichkeit frei zu entfalten,

insbesondere hat er das Recht auf Arbeit entsprechend den wirtschaftlichen und sittlichen Grundsätzen der Allgemeinheit –

das Recht auf Freizeit nach Maßgabe der allgemeinen wirtschaftlichen Erfordernisse und den Möglichkeiten eines durchschnittlich leistungsfähigen Bürgers –

das Recht auf Freizügigkeit, ausgenommen die Fälle, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit dadurch besondere Lasten entstehen würden oder aber zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand der Allgemeinheit oder zum Schutz vor sittlicher und leistungsabträglicher Verwahrlosung oder zur Erhaltung eines geordneten Ehe-, Familien- und Gemeinschaftslebens –

das Recht auf Bildung, soweit sie für den wirtschaftlich-sittlichen Fortschritt der Allgemeinheit sowohl zuträglich als auch erforderlich ist und soweit sie nicht Gefahr läuft, den Bestand der Allgemeinheit in ihren Grundlagen und Zielsetzungen zu gefährden –

das Recht auf Versammlung nach Maßgabe sowohl der Festigung als auch des Nutzens der Allgemeinheit und unter Berücksichtigung von Seuchengefahr, Brandgefahr und drohenden Naturkatastrophen –

sowie das Recht auf Unantastbarkeit der Person.

Allgemeiner stürmischer, nicht enden wollender

Beifall.


Peter Handke: Die innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, Frakfurt a. M. 1969

 

 

still und starr …

ruht der See – eine Winterspätlese

Am Waldsee

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Im Ried

 

Um den Litzelsee

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Liebe immer …

Nicht jedem ist es vergönnt, seine Liebe zu teilen. Mag es Unbeholfenheit sein oder schlichtweg ein Mangel an Gelegenheit. Oder der/die Andere erwidert die entgegengebrachte Zuneigung einfach nicht. Keine Seltenheit heutzutage in modernen Single-Gesellschaften. Ein Zustand, jedenfalls, der auch krank machen kann. Doch hat nicht einjeder das Recht zu lieben – und geliebt zu werden? Das Recht auf ein bißchen Farbe und Lebendigkeit im Alltag, ja, auch auf Nähe, Wärme, Treue. Bedingungslose Liebe schenkt allein ein Tier dem Menschen.

Liebe immer, wenn nicht jemand, so doch etwas.

(K.H. Waggerl)

Photographie © LuxOr

PS: Auch zwei unserer Familienkaters, Kasperle und Balduin, liegen dorten anonym begraben. Mögen die beiden – als auch die göttliche Susi, genannt „Mubbi“, die geduldige Begleiterin meiner Kindheit, und das Julchen – auf ewig herumstromern, tollen und tapseln

 

ganz schön lings …

oder eine kleine Wortgeschichte

Wie ich kürzlich noch in meiner vergangenen Schönliteratur las, noch dazu eine Übersetzung aus dem Amerikanischen, stieß ich auf ein gar hübsches Adverb namens „rittlings“, was so viel wie: „In der Haltung, wie ein Reiter auf dem Pferd sitzt“, also bspw. auf einem Stuhl, bedeutet. Was mir aber durchaus schon bekannt war. Insbesondere „rittlings“ klingt dabei irgendwie lustig-verspielt, da es mich lautlich doch sehr an „Ribbling“, die alemannische Bezeichnung für „Murmel“, erinnert (Und damit oute ich mich auch, daß ich aus dem alemannischen Sprachraum stamme und zumindest mit einem deutlich vernehmbaren südwestdeutschen Akzent schwätze tu). Und dann reimt sich „-lings“ auch noch so hübsch auf „Dings“.

Aber wie dem auch sei, unweigerlich fragte ich mich, wie viele dieser Wörter mit ebendiesem außergewöhnlichen Suffix „-lings“ mir denn überhaupt einfallen würden. Also flugs mal meine grauen Zellen angeregt und angestrengt nachgedacht und siehe da, einige Vertreter dieser Klasse tauchten tatsächlich aus den Tiefen meines mentalen Lexikons auf, als da wären eben „rittlings“, dann „bäuchlings“ oder „blindlings“, schließlich noch „jählings“ und „hählings“*. Aber konnte das wirklich alles gewesen sein, sollten bloß so wenige linge Adverbien existieren? Und was soll -lings denn überhaupt bezeichnen und worauf läßt es sich überhaupt zurückführen. Nun wollte ich es also genauer wissen und konsultierte das Netz. Der Duden Online brachte keine große Erleuchtung. Darum sogleich das DWDS aufgerufen, wohinter sich das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache verbirgt. Die erste Adresse, wer der Etymologie eines Begriffes auf den Grund gehen möchte. Und siehe da, dorten wurde ich dann fündig.

„-lings“ sei im hochdeutschen Sprachgebiet seit Anfang des 15. Jh. belegt und eventuell unter Einfluß der niederdeutschen Sprache entstanden, das -s- sei dabei erstarrten Genitiven zu verdanken. Doch bereits im Mittelhochdeutschen (-lingen, bspw. vinsterlingen ‘im Finstern’) und sogar im Althochdeutschen (-lingūn, -lingon, z. B. stuzzelingūn ‘planlos’) ließen sich Vorformen nachweisen. Unsere Adverbialsuffixe gingen anscheinend auf nominale Flexionsformen zurück. Und waren noch zu Anfang des Neuhochdeutschen sowie in den Mundarten „recht produktiv“. Heute sind indes bloß wenige dieser Ableitungen noch gebräuchlich – und noch dazu leider ziemlich selten; so führt das DWDS eine sehr übersichtliche Liste auf:

 

blindlings

 

bäuchlings

 

hählings*

*regional schwäbisch, Nebenform zu hälingen

häuptlings

 

jählings

 

knielings

 

kopflings / köpflings

 

meuchlings

 

rittlings

 

rücklings

 

seitlings

 

sträcklings

 

vorlings

 

 

 Es überwiegen also Richtungsangaben in Verbindung mit der Nennung von Körperteilen. (Und die Modalität einer Handlung.) Dabei wäre freilich noch an andere Varianten zu denken, so bspw. händlings: „Händlings schlitterte er über das Eise.“.  Oder auch hüftlings: „Ausgelassen stieß sie ihn hüftlings an.“ Unter diese Kategorie einzuordnen ist schließlich noch mein persönlicher Favorit, den ich mir bis zuletzt aufgespart habe, da sich ein jeder gerade auch zu den jecken Tagen sicherlich lebhaft eine alberne Situation vorstellen kann „mit dem Hinterteil voran“   – oder eben ä r s c h l i n g s … 😊

 

Welch ein Tag!

Oder hübsch unnützes Wissen.

Das fehlte gerade noch, sich einfach so aus dem Staub zu machen. Aber nicht heute. Denn pünktlich zur Hochzeit der Fasnet wartet heuer auch der Kalender mit einem gar hübschen Ereignis auf, das schmunzeln macht. Unserer „christlichen“ Zeitrechnung gemäß ist heute nämlich nicht einfach nur der zwölfte Tag im zweiten Monat des Jahres Zwanzigeinundzwanzig nach Christi Geburt. Sondern dieser

12.02.2021

läßt sich von vorn wie von hinten gleich lesen, ein Palindrom gleichsam wie ABBA, Otto oder das Reittier. Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. Glücklich ist, wer an diesem Tage das Licht der Welt erblicken darf. Oder in den Hafen der Ehe einfährt. Was kann ein Zweiter Februar Zwanzigzwanzig denn schon bieten (außer vielleicht, daß dies Datum auch in der angelsächsischen Welt, der anderen Schreibweise wegen, als Palindrom bewundert werden konnte)? Viel zu äußerlich solch ein Reiz. (Vermutlich gehen aus diesem Grunde auch Ehen, welche an solch offensichtlichen Schnapszahlen geschlossen wurden, auch alsbald wieder in die Brüche … :-)) Magie enthüllt sich einem eben erst dann, wenn man einen Blick unter die Oberfläche riskiert.

PS: Den nächsten Palindromtag dürfen wir übrigens in (relativer) Bälde schon wieder begehen, am 22.02.2022 nämlich. Wer auf den nächsten globalen Feiertag spekuliert, muß sich allerdings etwas länger gedulden, denn jener tritt erst mit dem 12.12.2121 ein …

der Brüller des Tages …

 

Unsere kleine Gemeinschaften …

oder der einzige Mensch auf der Welt

III

 

„Wir müssen unsere Position kennen, um sie verteidigen zu können. Darum: Was hast uns zusammengebracht? Die Not! Miß Dolly und ihre Freunde, sie sind in Not. Und du, Riley? Wir beide sind in Not. Wir gehören in diesen Baum, oder wir wären nicht hier.“

Dolly beruhigte sich durch den zuversichtlichen Ton in der Stimme des Richters. Er fuhr fort: „Heute, als ich mit dem Trupp des Sheriffs aufbrach, war ich davon überzeugt, daß mein Leben spurlos vergehen würde und ohne daß jemand mich wirklich gekannt hätte. Jetzt glaube ich nicht mehr, daß ich so unglücklich sein werde. Miß Dolly, wie lange ist es her? Fünfzig, sechzig Jahre? So lange mag es her sein, daß ich mich an Sie erinnere, an ein verlegen errötendes Kind, das auf seines Vaters Pferdewagen zur Stadt fuhr und niemals von dem Wagen herunterkletterte, weil es nicht wollte, daß wir Stadtkinder sähen, daß es keine Schuhe hatte.“

„Sie hatten Schuhe, Dolly und ‚Die da‘, murmelte Catherine. „Ich war es, die keine Schuhe hatte.“

„Alle die Jahre, in denen ich Sie gesehen, aber nicht erkannt habe, wie ich es heute tue, als einen heidnischen Naturgeist …“

„Heidnisch?“ fragte Dolly erschreckt, aber aufmerksam.

„Nun, wenigstens als einen Naturgeist, den man nicht durch die Augen allein wahrnehmen kann. Geister sind Vertraute des Lebens, sie leugnen nicht die Verschiedenheit seiner Erscheinungen – und sind dadurch ständig in Not. Ich, ich hätte niemals Richter sein dürfen; ich mußte dadurch zu oft auf der falschen Seite stehen, denn das Gesetz läßt keine Verschiedenheit zu. Erinnert ihr euch an den alten Carper, den Fischer, der ein Hausboot auf dem Fluß hatte? Er wurde aus der Stadt gejagt – er wollte das hübsche, kleine farbige Mädchen heiraten, jetzt arbeitet sie für Mrs. Postum, glaube ich; und ihr wißt alle, daß sie ihn liebte; ich sah sie immer, wenn ich fischen ging, sie waren sehr glücklich zusammen. Für ihn war sie das, was nie jemand für mich gewesen ist – der einzige Mensch auf der Welt, vor dem man nichts zu verbergen braucht. Und dennoch, wenn es ihm gelungen wäre, sie zu heiraten, wäre es die Pflicht des Sheriffs gewesen, sie zu verhaften, und meine Pflicht, sie zu verurteilen. Manchmal scheint es mir, als ob alle, die ich jemals schuldig gesprochen habe, die eigentliche Schuld auf mich gehäuft hätten, und in gewisser Weise ist es das, was mich wünschen läßt, einmal, bevor ich sterbe, wirklich gerecht und auf der richtigen Seite zu sein.“

„Sie sind auf der richtigen Seite jetzt. ‚Die da‘ und der Jude …“

„Pscht“, machte Dolly.

„Der einzige Mensch auf der Welt.“ Riley wiederholte diesen Satz des Richters in einem zögernden, prüfenden Ton.

„Ich meine“, erklärte der Richter, einen Menschen, dem man alles sagen kann. Ob ich wohl ein Narr bin, daß ich mir so etwas wünsche? Aber, ach, die Mühe, die wir darauf verwenden, uns voreinander zu verbergen, die Angst, daß wir erkannt werden könnten! Aber hier sind wir erkannt als das, was wir sind. Fünf Narren in einem Baum. Das ist ein großes Glück, vorausgesetzt, daß wir den richtigen Gebrauch davon machen, wenn wir unbesorgt darum sind, wie wir den anderen erscheinen, und frei herausfinden dürfen, wer wir in Wahrheit sind. Wenn wir das wissen, kann niemand uns verjagen; aus Unsicherheit über sich selbst verschwören sich unsere Freunde, die Verschiedenheit zu leugnen. In Bruchstückchen und Häppchen habe ich mich früher bisweilen an Fremde ausgeliefert – Menschen, die an der nächsten Station ausstiegen oder auf dem Schiffssteg wieder entschwanden; sie alle zusammen, in einer Person, hätten vielleicht der einzige Mensch auf der Welt sein können. Aber so wie es war, hatte er eben ein Dutzend verschiedener Gesichter, ging hundert getrennte Straßen hinunter. Jetzt habe ich die glückliche Möglichkeit, ihn zu finden – Sie sind es, Miß Dolly, Riley und ihr alle.“

Catherine widersprach: „Ich bin kein Mensch mit ein paar Dutzend Gesichtern, so ein Blödsinn“, und das ärgerte Dolly, die ihr riet, wenn sie nicht respektvoll reden könne, lieber schlafen zu gehen. „Aber, Richter“, fragte Dolly, „ich weiß nicht genau, was sie damit meinen: Wir sollten uns alles sagen. Geheimnisse vielleicht?“ schloß sie lahm.

„Nein, nein, keine Geheimnisse.“ Der Richter riß ein Streichholz an und entzündete die Kerze wieder. Sein Gesicht sprang uns mit einem unerwartet gequälten Ausdruck entgegen. Wir sollten ihm helfen, bat er.

„Sprecht von der Nacht, davon, daß sie mondlos ist. Über was man spricht, darauf kommt es kaum an, nur auf das Vertrauen, mit dem es gesagt wird, und auf das Wohlwollen, mit dem es aufgenommen wird. (…)“


Truman Capote (1951): Die Grasharfe. Roman. Aus dem Amerikanischen von Annemarie Seidel und Friedrich Podszus, neu durchgesehen von Birgit Krückels, Frankfurt a. M. 2000, S. 73-76.