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ubi caritas …

Ubi caritas et amor / Deus ibi est.

Auch zu Allerheiligen

Ola Gjeilo, Phoenix Chorale, Charles Bruffy – Northern Lights (Choral Works by O. G.)

(Chandos, CHSA 5100, UK 2012)

Das scheint schon wieder so weit weg zu sein. Dieses ergreifende Chorstück sangen wir auch mit Herzblut, beinahe auswendig, ein wahrer Klassiker. Auch wenn uns Herren der Schöpfung dieselben zwei, drei Stellen immer wieder aufs Neue herausforderten. Wir, wir waren ein kleiner, feiner studentischer Kirchenchor – ja, so etwas gibt es auch -, freilich schon  lange nicht mehr so gut besetzt wie auf Aufnahmen, die man auf YouTube so findet (Klar, es existieren klanglich deutlich bessere Mitschnitte als dieser hier, aber gleichzeitig war mir eben auch eine visuell betont nüchterne Aufnahme wichtig). Die Konkurrenz ist halt groß. Aber das störte uns nicht weiter, denn auch in relativ bescheidener, aber fester und treuer Besetzung erschienen wir jeden Montagabend freudig motiviert und stimmlich gut geölt zu den Proben. Und reichte unsere Sangeskraft doch so weit hin, daß wir jede Saison zwei, drei Gottesdienste mit Wohlklang begleiten konnten.

Besondere Bedeutung kam dabei, wie könnte es auch anders sein, dem tragenden Fundament zu, sprich: den sonoren Männern. Und das um so mehr, als allein mein Kollege und ich uns in den Tenor resp. Baß teilten. Alti und Soprani konnten sich wohl auf mehrere sichere Einzelstimmen stützen, doch machten wir beide das durch unser markantes Organ mehr als wett. Diese unsere Alleinstellung war, was mich betrifft, freilich auch durchaus mit etwas Lampenfieber verbunden. Denn ich singe eigentlich ausschließlich nach Gehör, kaum  vom Blatt, kann mich erst nach mehrmaliger exklusiver Wiederholung halbwegs eingrooven, habe darum an sich auch ganz gern eine sichere Stimme neben mir, an die ich mich dann umso lautstärker anhänge.

Doch gingen die Auftritte, unter heimlichem Üben auf der heimischen Couch versteht sich, zumeist ohne Fehl und Tadel und harmonisch ansprechend über die Bühne, äh von der Empore herab. Das lag nicht zuletzt auch an unserer Chorleiterin, die uns gewissenhaft und kompetent und offen für unsere Wünsche, dabei stets mit einem wachen Blick für das realistisch Machbare, vor allem aber mit ihrer natürlichen Fröhlichkeit und Zugewandtheit, die uns alle ansteckte, anleitete und begleitete (An dieser Stelle nochmals vielen Dank für die tolle Zeit mit Dir, liebe El!).

Und nach der Probe war auch noch lange nicht Schluß. Denn meist war damit dann erst der Barabend eröffnet, wo wir in lockerer Runde, aber mit einem festen Kern, teils noch deutlich über eine Stunde beisammenstanden und über Gott und die Welt plauderten. Das Montagabend-Bierchen war so mit der Zeit zu einem liebgewonnenen Ritual geworden, die Woche unbeschwert-gesellig zu beginnen, und dessen sichere Wiederholung sieben Tage später man beinah sehnsüchtig schon erwartete.

Und auf einmal soll es das gewesen sein. Gut, auch den letzten (und einzigen) Auftritt Mitte Julei durften wir bloß zu sechst bestreiten. Aber das Nachdenken, wie sich Proben und Auftreten im neuen Semester dann hätten verantwortlich gestalten lassen, hat sich mittlerweile wohl ohnehin erledigt. Zumal, was mindestens genauso schwer wiegt, der Posten der Chorleitung vakant ist. Denn unsere bisherige Leiterin hatte aufgrund zu erwartender beruflicher Mehrbelastung das Amt verständlicherweise frühzeitig zur Verfügung gestellt. Eine potentielle Nachfolgerin sprang dann allerdings aus irgendwelchen Gründen doch wieder ab. Vielleicht waren wir ihr zu sehr ein Wald- und Wiesen-Chor. Egal. Wir werden gerade wohl auch nicht die Einzigen sein, deren Sangeslust jäh unterbrochen wurde. Aber irgendwie traurig ist es schon. Wenn ich ehrlich bin, hat sich für mich persönlich durch die coronalen Beschränkungen bis dato eigentlich gar nicht so viel verändert. Das gemeinsame Singen und anschließende Beisammensein vermisse ich allerdings sehr (und daß Err mir bei der Gelegenheit gerne ein süffiges Weizen mit formvollendeter Schaumkrone credenzte, seufz. Und ganz zu schweigen vom ergriffenen Lauschen, wenn unsere holden Damen mal wieder engelsgleich ein Solostück darbieten durften und die Herren Tieftöner derweil rhythmisch klatschend zur dezenten Begleitung anhoben, schnüff!!). Und heuer ist es zum ersten Mal seit Jahren gar der Fall, daß ich zu Allerheiligen und dem gemeinsamen Grabbesuch mit der Familie nicht nach Hause gefahren bin (Auch wenn dieser aus ganz anderen Gründen so vermutlich überhaupt nicht stattgefunden hätte).

Ein wacher und verantworlicher Geist kann sich folglich den Dingen, die draußen in der Welt um ihn herum geschehen, nicht wirklich verschließen. Versuchen wir also das Beste aus der nicht eben unerwartet wieder eingetretenen Situation der Beschränkung zu machen, und in unseren verkleinerten Gemeinschaften – oder auch bloß in uns selbst -, caritas und amor zu geben und zu empfangen. Und wenn wir uns bloß durch Musik berühren lassen.

 

Counterattack – a Virus strikes back

Kongo kontert mit einem unkontrollierten Ebola-Ausbruch

EPIDEMIE, Subst.: Eine Krankheit von geselligem Wesen und mit wenig Vorurteilen.

Ambrose Bierce: Aus dem Wöterbuch des Teufels, in ders.: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Utz Riese, Köln 2014, S. 421.

Das andere Amerika

Achtung vor den Toten

Wie ist zahllosen unschuldigen Opfern

eines unsichtbaren Täters adäquat zu gedenken?

Statt immer nur der schieren nackten Zahl

den realen Toten ein Leben gegeben –

eine lyrische An-Dacht, ein kollektives Denk-Mal!

New York Times : Den Toten eine Stimme

  • Von Kai Sina
  • -Aktualisiert am 25.05.2020-19:09

Am „Memorial Weekend“ hatte die „New York Times“ eine journalistische Sternstunde: eine Kollektivpoetik des Totengedenkens, das die Tradition von Walt Whitman und Edgar Lee Masters mit der Corona-Moderne verbindet. Namen, nichts als Namen, versehen mit nur jeweils einer persönlichen Angabe, und über all dem die erschütternde Nachricht: „U.S. Deaths near 100 000, an Incalculable Loss“.

Hunderttausend Tote, ein unermesslicher Verlust: Die bilderlose, grafikfreie Titelseite der „New York Times“ vom vergangenen Sonntag ist binnen kurzem zu einer journalistischen Ikone geworden. In Hunderten Kurznachrufen, die aus Dutzenden, insbesondere regionalen Tageszeitungen zusammengestellt wurden, überführt sie die kalte Opferstatistik, die uns alle durch die Corona-Monate hindurch begleitet, in einen Katalog des gelebten Lebens: „Romi Cohn, 91 Jahre, New York City, rettete 56 jüdische Familien vor der Gestapo“; „Jéssica Beatriz Cortez, 32 Jahre, Los Angeles, vor drei Jahren in die Vereinigten Staaten eingewandert“; „Stanley Marvin Grossman, 83 Jahre, Nanuet, New York, vielen bekannt für seine erstaunliche Donald-Duck-Imitation“, „Larry Sartain, 77 Jahre, Des Plaines, Illinois, stand jeden Morgen um fünf Uhr auf, um die Bibel zu lesen“ – und immer weiter so fort.

(…)

Zum geneigten Weiterlesen

Eine Verschwörungstheorie der anderen Art

 

Photographie © LuxOr

 

Eine Verschwörungstheorie der anderen Art.

Auszüge aus Artikeln der letzten zwei Wochen in der FAZ, die aufrütteln.

Wollte man nun zynisch sein und eine weitere gewagte Verschwörungstheorie in die Welt setzen, könnte man von einem avancierten Versuch sprechen, in diversen Regionen und Staaten jenseits des Ozeans sich der jeweiligen Unterschichten und Minderheiten – leider allzu häufig noch dazu deckungsgleich – auf elegante Weise zu entledigen … Darwin in seiner pseudo-sozialen Ausprägung scheint wieder en vogue. Die virale Auslöschung durch den Kolonialismus wiederholt sich. Willkommen zurück im neunzehnten / zwanzigsten Jahrhundert. Willkommen im Lande der von Regierungsseite exekutierten white supremacy Denn solange eine Gesellschaft eine endemische Durchsetzung insbesondere des Justiz- und Polizeiapparates mit strukturellem Rassismus duldet, wird es leider noch zahlreiche weitere unschuldige George Floyds geben.

Mord an Schwarzem in Georgia : „Immer nur einen Schritt vom Terror entfernt“

  • Von Frauke Steffens, New York
  • -Aktualisiert am 10.05.2020-19:43

Der Mord an dem jungen Jogger Ahmaud Arbery entsetzt viele Menschen in Amerika. Wieder haben Weiße einen unbewaffneten Schwarzen erschossen, der einfach nur laufen wollte.

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„Im Horrorfilm sterben wir auch zuerst“

Arberys Tod ist für viele Menschen Ausdruck des selben strukturellen Rassismus wie er sich auch in der Coronavirus-Krise äußert, weil besonders viele Schwarze an den Folgen einer Infektion sterben. Einer Analyse der Nachrichtenagentur Associated Press zufolge waren bis Mitte April 42 Prozent der an den Folgen des Coronavirus gestorbenen Amerikaner schwarz – ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 13 Prozent. Von der schlechten Gesundheitsversorgung im ländlichen Mississippi bis zur Verteilung umweltbedingter Asthmafälle in New York, von den Pflegerinnen in Altenheimen über die Insassen der Gefängnisse bis zu den Arbeitern in den Fleischfabriken – Menschen mit mehr als einem Risikofaktor für einen schweren Coronavirus-Verlauf sind sehr häufig nicht weiß.

„Black Lives Matter“ und viele schwarze Bewegungen davor gründeten den Kampf gegen Rassismus auch auf die Beobachtung, dass schwarze Körper noch weit mehr als die der weißen Arbeiter „disposable“ seien – verzichtbar, austauschbar, „wegwerfbar“. Damit gingen sie über die oft von Weißen entwickelte linke Theorie hinaus und fügten ihr Dimensionen hinzu. Die sehen viele nun bestätigt, weil die Industrie und die Regierung auf die Öffnung von Fleischfabriken und ganzen Bundesstaaten drängen, in denen Schwarze besonders oft vom Coronavirus betroffen sind.

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Die aggressiven Proteste der Rechten gegen die Coronavirus-Schutzmaßnahmen und die schnelle Wiederöffnung republikanischer Bundesstaaten sehen manche Kommentatoren als Reaktion von Weißen auf die Tatsache an, dass das Coronavirus überproportional Minderheiten trifft. In Mississippi etwa, wo im April um die 70 Prozent der Verstorbenen schwarz waren, treibt die Regierung die Öffnung trotz leicht steigender Infektionszahlen voran. Die an der Rutgers Universität in New Jersey lehrende Kulturkritikerin Brittney Cooper nannte die schnelle Wiederöffnung der Wirtschaft auf Twitter gar eine „nekropolitische Kalkulation“, eine Inkaufnahme des Todes von mehr Schwarzen als Weißen.

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Indigene Völker : „Wir sind in Gefahr“

  • Von Tjerk Brühwiller
  • -Aktualisiert am 11.05.2020-10:57

Die Ankunft des Coronavirus in Amazonien bedroht die Urvölker. Ihr Immunsystem ist besonders anfällig. Quarantäne- oder verstärkte Hygienemaßnahmen sind dort kaum umzusetzen.

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Immer mehr Corona-Tote : Brasiliens Jagd nach einem traurigen Rekord

  • Von Tjerk Brühwiller, São Paulo
  • -Aktualisiert am 21.05.2020-16:24

Das Coronavirus wurde von Brasilianern der oberen Einkommensschicht aus Europa ins Land getragen – und verbreitet sich nun rasant in den ärmeren Bevölkerungsschichten.

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„netzfund: neue weltordnung“

Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit.

(Ödön von Horváth, Geschichten aus dem Wiener Wald)

Überheblichkeit allerdings auch …

 

Für die Narretei, wichtige vierte Säule im Staate, tät ich aber unbedingt noch den Lindners ihr Christian nominieren wollen – oder gleich die gesamte Effdepe, da ist ist doch immer eine/r für unfreiwillige Komik gut … 😉

campogeno

dummheit ist nicht „wenig wissen“, auch nicht „wenig wissen wollen“,
dummheit ist „glauben, genug zu wissen“.

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Verrenkungen im Namen Gottes?

An sich durchaus begrüßenswert, daß die sächsische Staatsregierung die öffentliche Abhaltung von Gottesdiensten wieder erlauben möchte. Die Ungleichbehandlung zwischen kommerziellem Götzendienst und transzendentem Gottesdienst war dann doch zu eklatant. Wenn man aber böse sein mag, kann diese Entscheidung der Exekutive nicht allzu viel Kopfzerbrechen bereitet haben; finden sich im Osten doch deutlich weniger (Buch-)Christen. So daß es mit der Einhaltung eines Mindestabstands wohl kaum Probleme geben dürfte.

Zugleich verordnet Dresden allerdings eine allgemeine Masken- und Mundschutzpflicht. Man mag sich nun gar nicht vorstellen, welch akrobatische Verrenkungen das allfällige Feiern des Abendmahls beziehungsweise der Kommunion unter diesen Vorzeichen dann zeitigt …

 

Autorenfilm! Kinder kreativ in der Quarantäne.

Ja, schon, der Hype um die Krone wird einem mit der Zeit doch irgendwie zu viel, allüberall liest, hört und sieht man gefühlt nichts anderes mehr, teils gar Widersprüchliches. Gleichwohl tut seriöse Information not, und nicht nur bloß für Erwachsene. Dieses Video haben syrisch-kurdische Flüchtlingskinder, noch keine zehn Jahre alt, – das Geschwisterpaar kenne ich persönlich -, gedreht; auch ein Beispiel also, wie man seine unverhofft gewonnene freie Zeit kreativ nutzen kann … und Film ab!