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In hoc signo …

vinces?

Eine Hauswand. Die Seitenfront gegenüber, um genau zu sein. Trotz der Farbe eigentlich ganz gewöhnlich, sieht man mal von einem voluminösen Lüftungsrohr ab, das am Rande eporsteigt. Etwa in deren Zentrum ist jedenfalls deutlich ein Kreis zu erkennen, etwas geneigt, vielleicht leicht oval, am Rande rechts scheinbar nicht wirklich geschlossen, eher diffundierend. Das kreisrunde Gebilde ist freilich nicht leer, nein. Einem Rad nicht unähnlich, kreuzen sich zwei zarte, geschwungene Streben, die sich in der Mitte gar noch prominent in einer Art festen Knoten verbinden.

Dieses merkwürdige Phänomen taucht seit einiger Zeit allmorgendlich bei Sonnenschein auf. Sicher, es handelt sich hierbei um eine Spiegelung. Deren Quelle, deren Ursache ich freilich bis dato nicht auszumachen vermochte. Kann das also noch Zufall sein? Was mag dies Zeichen dann aber bedeuten? Gemahnt es in seiner Form nicht an das Numinose? Ein Kreis, ein angedeutetes ‚Χ‘ – spricht hier nicht das Göttliche schlechthin, Jesus Christus gar, zu uns? Und welche Botschaft mag schließlich dahinterstehen? Ist es ein (Weck-)Ruf, eine Mahnung, eine Warnung? Oder spricht es uns vielmehr Beistand und Trost zu und Mut und Hoffnung …?


Auch für Ce, der heute Geburtstag gehabt hätte.

 

Photographie © LuxOr

 

Anfassen.

Stockfinstere Nacht war es heuer, gegen Viere in der Früh, als ich diese Zeilen las. Schmökerte wiederum im Tag im Jahr. Dieser Tagebucheintrag fiel mir schon vorher ob seiner ungewöhnlichen Kürze auf. Auf den letzten drei Seiten wird dann allerdings klar, woher diese Sprachlosigkeit rührt – ein Mensch ist verstorben. Nach einem schweren Autounfall. Und auch wenn die Situation eine gänzlich andere ist als heute, beschreibt die Autorin, Christa Wolf, ein universelles, zutiefst menschliches Bedürfnis (nicht nur) in Reaktion auf solch eine Schreckensnachricht, das allerdings unerfüllt bleibt. Wie auch heute leider Gottes vielfach, auch gerade im Angesicht des Todes … *

„(…) – kam der Anruf von Dieter.

Eben sei ihnen Helmut unter den Händen weggestorben.

(…)

Irgendwann ging mir eine Zeile durch den Kopf: In der Erstarrung such ich nicht mein Heil./Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil/ – „Schaudern“, das ist das Wort. Mir schaudert. Nachts wurde ich mehrmals wach, schaudernd. Daß wir alle sterben müssen? Nicht nur das, glaube ich. Daß wir falsch gelebt haben und leben? Ja. Das vielleicht noch mehr.

(…)

Ich telefonierte noch mit Annette und Tinka (ihre Töchter, Anm. L.), auch darüber, wie es in dem Krankenhaus zugegangen sei und daß Dieter darüber einen „Bericht“ machen will – Helmut ist nicht mehr ins Leben zurückzuholen. Immer sah ich ihn vor mir, wie er eine Woche vorhher war, als wir ihm sogar ein Radio brachten und glaubten, er sei über dem Berg. Er glaubte es auch. – Tinka erzählte noch von dem Besuch bei Martins Bruder in Rostock – wie deprimierend mies manche Leute hier leben müßten. Daß sie bei zwölf Grad Wassertemperatur ins Meer gesprungen sei, Helene und Anton auch.

Ich hätte sie alle um mich versammeln und jeden einzelnen anfassen mögen.“

Christa Wolf: Ein Tag im Jahr. 1960-2000. Frankfurt a. M. 20133, S. 447ff, („“Sonntag, 27. September 1987, Woserin“)

 

* Was mag darinnen vorgegangen sein?

In welcher Not muß er sich befunden haben? Und in welcher Einsamkeit?

Requiescat in Pace, Thomas Schäfer!

 

Verstummt.

Die Tage in meiner alten Heimat gewesen. Unter dem Eindruck der beginnenden Vergeisterstädterung. Ein ungewohnter, gar beklemmender Anblick. Dort nämlich, wo man an einem gewöhnlichen Werktag um die Mittagszeit ein geschäftiges Treiben antrifft wie auf einem Wimmelbild eines holländischen Meisters, herrschte nun eine beunruhigende Verlassenheit und Leere, beinahe einem Sonntagvormittag gleich.

Dem kann man einerseits durchaus etwas Positives abgewinnen. Die Kneipen und Schnell-Restaurants rund um mein Elternhaus sind mittlerweile alle dicht gemacht. Die hartnäckigen, beißenden Duftschwaden einer unheiligen Kombination aus verbranntem Fett, GeDönere und GeBratwürstl wichen einer frühlingshaften Frische. Einzug hielt zudem eine ungekannte Ruhe, beschallte uns doch niemand mehr mit stampfenden Bässen aus nächster Nähe von Mittag an bis weit nach Mitternacht. Nur das andächtige Zwitschern von Amsel und Spatz war noch zu vernehmen …

Doch irgendetwas an diesem überraschenden Idyll störte. Oder genauer, es fehlte mir eine Zutat, welche mich zwar schon manches Mal jäh aus dem Schlaf gerissen hatte. Die ich jedoch gerade in dieser Zeit der kollektiven Verunsicherung schmerzlich vermisste. Die Rede ist vom Glockengeläut unseres Münsters zur lieben Frau, welches normalerweise werktags kurz vor Sieben Uhr und dann nochmals vor Neun zum Gottesdienst einlädt. Zuvor läuten die Glocken bereits um Sechs den Tag ein. Im Ausnahmezustand der Corona-Pandemie untersagte der Staat freilich den Religionsgemeinschaften das öffentliche Feiern von Gottesdiensten. Eine Maßnahme, welche dem Schreiber dieser Zeilen zwar schon etwas Bauchgrimmen verursachte, die er andererseits aber angesichts der Lage auch akzeptieren konnte.

Wie nun also die Messfeiern auf höheres Geheiß hin einzustellen waren, ließ allerdings zumindest die Münster-Gemeinde auch ihr Glockengeläut verstummen. Was bei mir nun wiederum doch auf Unverständnis stieß. Klar, es findet zu der angegebenen Zeit nun keine Messe statt, zu der man rufen könnte. Aber lässt die Kirche mit diesem ihrem Verstummen nicht gerade ihre Gläubigen im Stich, wenn ihnen nun nicht einmal ein bewegendes Glockenspiel mehr Halt und Trost und Beistand verkündet? Kommt dies nicht beinah einer Kapitulation gleich, einem symbolischen Zurückweichen vor der Not des Alltags, einer Entweltlichung der Kirche gar oder einer letzten Entzauberung der Welt?

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Photographie © LuxOr

Der andere Blick …

Mehr Licht!

Unscheinbar, aber wehrhaft – Licht ins Dunkel!

Photographie © LuxOr