Archiv der Kategorie: Sprache

ganz schön lings …

oder eine kleine Wortgeschichte

Wie ich kürzlich noch in meiner vergangenen Schönliteratur las, noch dazu eine Übersetzung aus dem Amerikanischen, stieß ich auf ein gar hübsches Adverb namens „rittlings“, was so viel wie: „In der Haltung, wie ein Reiter auf dem Pferd sitzt“, also bspw. auf einem Stuhl, bedeutet. Was mir aber durchaus schon bekannt war. Insbesondere „rittlings“ klingt dabei irgendwie lustig-verspielt, da es mich lautlich doch sehr an „Ribbling“, die alemannische Bezeichnung für „Murmel“, erinnert (Und damit oute ich mich auch, daß ich aus dem alemannischen Sprachraum stamme und zumindest mit einem deutlich vernehmbaren südwestdeutschen Akzent schwätze tu). Und dann reimt sich „-lings“ auch noch so hübsch auf „Dings“.

Aber wie dem auch sei, unweigerlich fragte ich mich, wie viele dieser Wörter mit ebendiesem außergewöhnlichen Suffix „-lings“ mir denn überhaupt einfallen würden. Also flugs mal meine grauen Zellen angeregt und angestrengt nachgedacht und siehe da, einige Vertreter dieser Klasse tauchten tatsächlich aus den Tiefen meines mentalen Lexikons auf, als da wären eben „rittlings“, dann „bäuchlings“ oder „blindlings“, schließlich noch „jählings“ und „hählings“*. Aber konnte das wirklich alles gewesen sein, sollten bloß so wenige linge Adverbien existieren? Und was soll -lings denn überhaupt bezeichnen und worauf läßt es sich überhaupt zurückführen. Nun wollte ich es also genauer wissen und konsultierte das Netz. Der Duden Online brachte keine große Erleuchtung. Darum sogleich das DWDS aufgerufen, wohinter sich das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache verbirgt. Die erste Adresse, wer der Etymologie eines Begriffes auf den Grund gehen möchte. Und siehe da, dorten wurde ich dann fündig.

„-lings“ sei im hochdeutschen Sprachgebiet seit Anfang des 15. Jh. belegt und eventuell unter Einfluß der niederdeutschen Sprache entstanden, das -s- sei dabei erstarrten Genitiven zu verdanken. Doch bereits im Mittelhochdeutschen (-lingen, bspw. vinsterlingen ‘im Finstern’) und sogar im Althochdeutschen (-lingūn, -lingon, z. B. stuzzelingūn ‘planlos’) ließen sich Vorformen nachweisen. Unsere Adverbialsuffixe gingen anscheinend auf nominale Flexionsformen zurück. Und waren noch zu Anfang des Neuhochdeutschen sowie in den Mundarten „recht produktiv“. Heute sind indes bloß wenige dieser Ableitungen noch gebräuchlich – und noch dazu leider ziemlich selten; so führt das DWDS eine sehr übersichtliche Liste auf:

 

blindlings

 

bäuchlings

 

hählings*

*regional schwäbisch, Nebenform zu hälingen

häuptlings

 

jählings

 

knielings

 

kopflings / köpflings

 

meuchlings

 

rittlings

 

rücklings

 

seitlings

 

sträcklings

 

vorlings

 

 

 Es überwiegen also Richtungsangaben in Verbindung mit der Nennung von Körperteilen. (Und die Modalität einer Handlung.) Dabei wäre freilich noch an andere Varianten zu denken, so bspw. händlings: „Händlings schlitterte er über das Eise.“.  Oder auch hüftlings: „Ausgelassen stieß sie ihn hüftlings an.“ Unter diese Kategorie einzuordnen ist schließlich noch mein persönlicher Favorit, den ich mir bis zuletzt aufgespart habe, da sich ein jeder gerade auch zu den jecken Tagen sicherlich lebhaft eine alberne Situation vorstellen kann „mit dem Hinterteil voran“   – oder eben ä r s c h l i n g s … 😊

 

Mein Unwort des Jahres …

W I D E R S T A N D

Ja, in Hongkong oder Weißrußland und allüberall, wo Frauen und Männer, Kinder und Alte trotz Gefahr für Leib und Leben, zumindest aber für ihre soziale Existenz für legitime Forderungen unerschrocken und unverdrossen auf die Straße gehen, ist der Begriff durchaus berechtigt. Hierzulande wird Widerstand freilich viel zu lange schon überstrapaziert und mißbraucht von einer heterogenen Gruppe (schwäbischer) Besserwisser, die mit peinlich schiefen historischen Analogien und hanebüchenen Verschwörungserzählungen von Diktatur faseln, ohne dabei auch nur die leisesten Konsequenzen fürchten zu müssen.

Auf’m Abstellgleis …

Leider auf’m Abstellgleis, da nicht mehr produktiv: der –ling!

In bunter Reihenfolge – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Zwilling, Drilling etc.
  • Findling
  • Winzling
  • Feigling
  • Häuptling
  • Prüfling
  • Widerling
  • Weichling
  • Schierling
  • Schößling
  • Schönling
  • Pfifferling
  • Plattling ( 🙂 )
  • Fremdling
  • Täufling
  • Sippling
  • Firmling
  • Höfling
  • Sträfling
  • Fäustling
  • Bläuling
  • Tuttling (ein Einwohner von ~en 🙂 )
  • Liebling
  • Sonderling
  • Fiesling
  • Miesling
  • Günstling
  • Häftling
  • Dümmling
  • Jüngling
  • Bratling
  • Emporkömmling
  • Schmetterling
  • Hänfling
  • Wüstling
  • Reling
  • Bückling
  • Riesling
  • Keimling
  • Säugling
  • Lüstling
  • Mietling
  • Rohling
  • Schädling
  • Frischling
  • Tlauling (Trauring auf Sino-Deutsch 🙂 )
  • Frechling
  • Schützling
  • Silberling
  • Witzling

 

Bedeutung:

„-ling kennzeichnet in Bildungen mit Adjektiven – seltener mit Substantiven oder Verben – eine Person, die durch etwas (Eigenschaft oder Merkmal) charakterisiert ist.“

Ah, nicht zu vergessen: „Kuemmerling, Kuemmerling, nette Menschen trinken gerne Kuemmerling.“

 

Aufgedeckt!

KN  (LUAN). Hiesige Sprachforscher machten kürzliche eine brisante, weil revolutionierende Entdeckung: Töchter von Geschwistern werden nämlich systematisch sprachlich bevorzugt. Um diesem unhaltbaren Zustand eklatanter Sprach-Diskriminierung umgehend ein Ende zu setzen, verfügte der Duden namens des Bibliographischen Instituts mit sofortiger Wirkung die Einführung des entsprechend gegenderten Gegenstücks, des neuen Adverbs mitneffen, dessen Verwendung von nun an verbindlich sei. Eine weise, weil weitsichtige Entscheidung unserer Sprachhüter, die sicherlich zum künftigen gedeihlichen Auskommen der Geschlechter auch auf der verbalen Ebene einen nicht unbedeutenden Beitrag leisten wird.

übern Gottesacker …

 

Der Friedhof

Dort, wo gemach die Eb’ne in Wellen sich
zum Hügel aufschwingt, steht noch in gelbem Laub
ein Bäumepaar allein, ertrinkend
Kreuze noch dort in dem Herbstgesträuche.

Und still hinab verliert in die Weite sich
ein Weg. Den halten Bäume dir rot im Blick
lang noch, wenn schon ins Grenzenlose
alles verwehte -, vom Wind getrieben.

Da wandle die verwachsenen Pfade noch
zum Hügel auf und steh bei den Kreuzen lang,
und blick nach Westen, wo das letzte
Feuer versinkt in ein armes Glühen.

 

Johannes Bobrowski (1917-1965)

 

 

Photographie © LuxOr

Moon …

 

Inspiriert von Loriot und Badesalz

 

„Absolutely breath-taking!“

„Definiert das SciFi-Genre neu!“

„Ein bahnbrechendes Debüt!“

„Täuscht Spielfilmlänge vor.“

„Sprengt Genre-Konventionen.“

„Ein aufgehender Stern am Regie-Firmament!“

„Thrilling, shocking, marvellous!“

„Oscar-verdächtig.“

„Endlich, wir Deutsche können auch Genre!“

„Un auteur véritable.“

„Beweist Stilwillen.“

„Atmosphärisch dicht.“

„Definitely visionary.“

„Sabine La Mere grandioser denn je!“

„Die Verloreneit des Individuums angesichts der Kälte einer gnadenlosen Gesellschaft.“

 

Ars gratia Artis & (non-)sense of life-productions in association with Cinéma Lumière proudly present:

M O O N – under twilight testimony

An outrageous epic novel into the very heart of human deceit and humanoid decency by the astonishing newcomer L. LOtter. Slight horror meets a bold vision – don’t miss it!

 

Zufallsfilmchen 🙂 © LuxOr

Nacktbildversuch

… N a c k t?!? … Ähem.  … Hoppsan, liebe Leserin, so was aber auch, das ist mir nun aber furchtbar peinlich, da hat sich doch tatsächlich ein Freudscher Verschreiber eingeschlichen, tsetsetse. Es muß natürlich N a c h t heißen, gell! Der geneigte Follower möge mir jedenfalls meine vorübergehende Zerstreutheit verzeihen. Dies soll ja schließlich – trotz diverser nackter Tatsachen, bestehender und auch künftiger, – ein seriös-züchtiger Blog bleiben.

Not tut aber vielleicht wirklich ein großes Stativ um des unerläßlichen Chili und Curry willen, denn hand-gestützt machen sich dann doch leider unweigerlich und allzu geschwind Haltungsprobleme bemerkbar. Daher packe ich beim nächsten Heimaturlaub kurzerhand mein ansonsten ungenutzt vor sich hin dämmerndes Gestell ein. Ob mir dann allerdings nochmals solch eine luftig-locker-leichthändige Schiefe gelingen wird? Na, vielleicht sollte ich mich eben doch auch mal an Nacktbildern versuchen …

Photographie (unbearbeitet) © LuxOr

Wie ein aufgeschlagenes Buch …

Der klassische Liedvers des Monats:

“ (…) You’e the book that I have opened / And now I’ve got to know much more.“

(Massive Attack: Unfinished Sympathy; Blue Lines (1991), Wild Bunch Records / Circa)

 

Kognitivismus, angewandt auf Gehote …

Vollmond © Brigitte.de

 

Nhact ist sochn hireensegenkun,

Scheißlt scih hilieg Stren an Stren,

Gßore Lechtir, kielne Fenkun

Gritzeln nah und gleznän fren;

 

Gritzeln heir im See scih speilengd,

gleznän doebrn krelar Nhact,

Teistfen Rheuns Gülck beseilengd

Hrerscht des Mednos vlole Phract.

 

Quelle: Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Faust. Der Tragödie zweiter Teil, 1832. 1. Akt, Szene: Anmutige Gegend, Chor.

 

ver-Sprach-licht: Vom Nutzen

Wie ich mich vor Kurzem mit Tierfällen beschäftigte, fiel es mir mal wieder überdeutlich ins Auge: Die Vielfältigkeit menschlicher Nutzanwendungen. So kennen wir die Nutz-Fläche, was das auszunutzende dreidimensionale Volumen eines (Stau-)Raumes, der Kofferraum eines Kraftfahrzeuges bspw., bezeichnen kann. So weit, so gut. Dann verstehen wir aber auch die zur Verfügung stehende zweidimensionale Ausdehnung an Boden darunter; eine wie auch immer geartete Landschaft, frei zum Ge-Ver-Brauch: zur Bebauung und Versiegelung, Bepflanzung, oder Abholzung, Abweidung, Abbau … . Häufig baut man dort auch Nutz-Pflanzen an. Und da beginnt man dann hellhörig zu werden. Im Umkehrschluß impliziert diese Benennung doch: Wenn es also Nutz-Pflanzen gibt, muß es unweigerlich auch unnütze Pflanzen geben. Gemeinhin als Ungeziefer verunglimpft, fällt es in der Regel der „Ausmerze“ anheim (wer hat darob eigentlich die Definitionsmacht?).
Davon gar nicht so verschieden verfährt der Mensch mit der Tierwelt. Von Ungetier wird hier zwar weniger gesprochen; Ratten oder Mäuse, die üblichen Verdächtigen also, aber auch andere, in der Regel in romantischer Tradition positiver konnotierte Wildtiere wie Vögel oder Biber, Hasen und Wölfe ereilt gleichwohl häufig ein dem Ungeziefer ähnliches Schicksal. Ob das Los von Nutz-Tieren (oder auch „tierischen Sportgeräten“) indes erstrebenswerter ist? Denn die Kuh wird so lange gemolken, wie sie Milch gibt. Will sagen: Jede „Nutzung“ ist biologisch begrenzt durch Alter und individuelle Leistungsfähigkeit. Diese sucht man maximal zu steigern und auszubeuten durch „fördernde“ Maßnahmen wie extreme Verringerung des Platzangebotes oder exzessive Gabe chemischer Präparate. Ist die arme Kreatur dann wie eine Zitrone bis zum Letzten ausgequetscht oder hinreichend gemästet, geht es meist auf die (noch dazu allzu häufig viel zu lange) Reise, doch eben nur zur Vollendung ihrer einzigen Bestimmung, der fabrikmäßigen Schlachtung nämlich. Und dies allein aufgrund einer simplen Kosten-Nutzen-Rechnung im Zeichen einer instrumentellen Vernunft, dem Menschen zum Behagen.
So weit, so pervers. Aber warum um alles in der Welt ist unsere überfeinerte Zivilisation dann eigentlich so zimperlich bzw. nicht so ehrlich mit sich selbst und spricht auch vom Nutz-Menschen?

ver-Sprach-licht: „Ich war noch niemals in NY …“

Weiland bekannte Udo Jürgens zu seligen Schlagerzeiten der Kindheit wiederholt wahrlich wehmütig:

„Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii
Ging nie durch San Francisco in zerrissenen Jeans
Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals richtig frei
Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehen“

( Aus: Udo Jürgens, „Ich war noch niemals in New York“, Album Silberstreifen, 1982)

 

Doch spätestens beim dritten Mal macht es einen stutzen: denn u. U. war dieses Ich zuvor durchaus schon durch San Francisco und über die Golden Gate Bridge flaniert – in Anzug und Krawatte beispielsweise. Oder auch im Lederarsch, oder  … 🙂

Quelle: welt.de