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Erdverbunden – Ein Plädoyer*

Zusammenhänge aufzuzeigen in einer Zeit zunehmender Unübersichtlichkeit. Über den Tellerrand, den engen Horizont der einzelnen Disziplin hinausblicken und Interdepenzen augenscheinlich machen. Einen jeden dazu befähigen, sich ein eigenes (kritisches) Bild davon zu machen, was der Mensch aus dem Menschen und seiner Umwelt macht. Neben der Vermittlung von Werten demokratisch-humanistischer Natur könnte man dies als die wesentliche Aufgabe von Schule und Unterricht ansehen.

Nun werden alle paar Monate beinah Forderungen laut, dieses oder jenes Fach unbedingt neu in das Curriculum aufzunehmen, beispielsweise Gesundheit, Ernährung, Ökologie oder Wirtschaft. Das mag für sich allein alles wünschenswert sein. Doch schweigen sich derlei Aspirationen häufig darüber aus, woher denn die Lehrerstunden hierfür kommen sollen. Fachfremd sollen diese Fächer wohl auch nicht unterrichtet werden. Und da wohl niemand den Wochenstundenplan auszudehnen gewillt ist, sollen andere Fächer beschnitten werden. Beliebter Steinbruch derartiger Umverteilungsaktionen ist dabei das Fach Erdkunde, welches mittlerweile allzu häufig in allen Klassenstufen und Schulformen nur noch ein Schattendasein fristet, eventuell seiner einstigen Heimattümelei und nationalen Beschränktheit wegen. Was einen aktuell dann aber doch Wunder nimmt.

Denn was vermag schon ein Wunschfach wie Wirtschaft anderes zu bewirken, als die Schülerinnen und Schüler zu funktionierenden, da brav konsumierenden Kapitalisten heranzuziehen, ganz im Sinne wohl der Petenten, den Primat der Wirtschaft zu sichern und überhaupt die herrschende Wirtschaftsordnung durch die Weihe eines eigenen Schulfachs zu adeln und damit zu zementieren, so als wäre sie über jeden Zweifel erhaben?

Das traditionsreiche Fach Erdkunde aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken, wäre dagegen wohl aussichtsreicher. Denn hierbei ließen sich Fragen nach unserer Wirtschafts- und Lebensweise bestens in einen globalen wie lokalen Rahmen einbetten und Themen wie Ressourcenendlichkeit, asymmetrische Handelsbeziehungen vs. Entwicklung, Wirtschaft und Ernährung, Wirtschaft und Umwelt und der Mensch darinnen, Stadt vs. Land, Grenzen der Mobilität, Konsum vs. Nachhaltigkeit und nicht zuletzt der nahende Klimakollaps in einem ganzheitlichen Zugriff behandeln. Denn insbesondere hier wird evident, daß alles mit allem zusammenhängt und gewisse Entscheidungen an einem Ort große Auswirkungen anderswo zeitigen können. Künftige Generationen von SchülerInnen die Kunde von und die Auseinandersetzung mit diesem ganzen Komplex an brandaktuellen Problemstellungen um unsere Erde zu ermöglichen, dafür ist dieses bloß scheinbar so biedere Fach also mehr als andere prädestiniert.

Verschone man also die SuS von morgen vor einer allzu eindimensionalen Perspektive spezialisierter Disziplinen und Konzepte und priorisiere man stattdessen eine systemisches Denken fördernde Herangehensweise in einem revitalisierten Schulfach der Kunde von der Erde. Denn allein solch eine Investition in unser Humankapital macht sich noch zu unser aller Nutzen morgen und übermorgen bezahlt.

 

* Dieser Eintrag ist inspiriert durch den Debattenbeitrag eines der Herausgeber der F.A.Z., Jürgen Kaube, vom 17.12.2019.

Die wissen auch nicht, was sie wollen …

Es ist noch gar nicht so lange her, da ächzten Verantwortliche auf der Urlaubsinsel Mallorca über den kaum mehr zu stemmenden Andrang von Touristen auf ihrem Eilande. Angesichts ihres teils fragwürdigen Verhaltens besonders beliebt waren (und sind) dabei auch Gäste aus Großbritannien. So erschall dann auch der Ruf nach Begrenzung oder (Um-)Lenkung der Besucherströme. Im Verein mit Amsterdam oder Venedig wurden jedenfalls im Zuge dessen Begriff und Phänomen des Overtourism einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Nun hat allerdings vergangenes Wochenende den ältesten Reisekonzern der Welt das Falliment ereilt. Das heißt zwar zunächst, die Herausforderung, tausende gestrandete Urlauber urplötzlich „evakuieren“ zu müssen, zu bestehen. Doch gleichzeitig bleibt ein weiterer Ansturm vergnügungssüchtiger Heerscharen von Urlaubern erstmal aus, insbesondere eben auch von der britischen Insel. Welch eine glückliche Fügung für die geschundene Insel, möchte man also meinen. Die Atmosphäre dort unten beruhigt sich nachhaltig und die Atmosphäre dort oben wird durch den Wegfall einer gewissen Anzahl von Ferienfliegern auch einmal etwas entlastet. Doch was machen die Verantwortlichen vor Ort? Fallen sogleich zurück in alte Muster und wissen nichts anderes als sich über mutmaßlich zu erwartende Verluste zu beklagen. Was wollen die denn nun eigentlich? Im Zweifel eben immer für den eigenen Geldbeutel …

PS, 25.09.2019: Wie ich gerade vorhin erst erfahren habe, war die Pleite des ollen Vergnügungsdampfers Thomas Cook der ARD doch tatsächlich ein akueller „Brennpunkt“ wert. Und nicht etwa der UN-Klimagipfel in New York, wie man eigentlich denken würde …