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Die USA …

 – ein Abgesang?

auf: Soundgarden – Superunknown, A&M Records (540215-2), 1994

Vor vier Jahren hatte ich am Vormittag einen Arzttermin. Ich stellte mir den Wecker so, daß ich ohne große Eile noch frühstücken, langduschen und hinausfahren konnte. Nichts Böses ahnend, öfffnete ich dann unmittelbar nach dem Aufstehen meinen Laptop, um mich schlau zu machen, wie sich denn die Amerikaner über Nacht entschieden hatten. Bei irgendeiner vorigen Wahl, mutmaßlich Obamas, war ich tatsächlich lange noch aufgeblieben und hatte die Wahlsondersendungen am TV verfolgt, aber irgendwann so um Dreie oder Viere in der Früh ausgeschaltet, weil einfach nichts geschah: „too close to call“, oder wie die das eben so nennen. Das folgende Ergebnis damals hatte mich dann aber immerhin bestätigt.

Mit dieser Gewissheit, es wird schon alles seinen rechten Gang gehen, ging ich denn auch vor vier Jahren zu Bett. Doch wie ich dann eben der breaking news auf meiner Hausseite, der Allgemeinen Zeitung für Deutschland, gewahr wurde, konnte ich meinen Augen kaum trauen: T, T, T und nochmal T! Das Unwahrscheinliche war eingetreten, der Super-GAU! Charakter und Anstand? Scheinbar allüberall überbewertet und diesseits wie jenseits des Atlantiks auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt! Wenn man sagt, jedes Volk hat die Regierung, die es verdient: was war das dann für ein eigentümliches Volk? Und welche Bedeutung  hatte dieses politische Erdbeben dann für uns in Deutschland, für Europa, für die Welt? Ich war wie gelähmt und las jeden greifbaren Artikel, von denen es (un-)erwartungsgemäß eine große Zahl gab, wohl irgendwie nach Halt und Orientierung suchend.

Den Arzttermin hatte ich darob beinah völlig aus den Augen verloren. Icherschien dann glaube ich über eine Viertelstunde oder noch länger zu spät, aber das war mir in diesem Moment so was von schnuppe. Der Arzt hatte denn auch durchaus Verständnis für mich und wir sprachen tatsächlich noch eine ganze Weile miteinander über die eingetretene Situation. So blieb mir wie vielen anderen eben nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden und auf die Checks ’n Balances der amerikanischen Verfassung und auf die Zivil-Courage des anderen Amerika zu vertrauen. Aber mit jeder weiteren Entgleisung und jedem neuerlichen Stilbruch stumpfte man zusehends ab und hoffte bloß noch darauf, diese Bad-Comedy-Show möge doch wenigstens im November Zwanzig, ohnehin ein denkwürdiges Jahr, endlich ihr Ende nehmen …

Wie wird nun die Welt ausschauen, wenn ich morgen Früh aufwache? Wird die Erde sich gleichmäßig weiterdrehen oder werden wir aus allen Wolken fallen, eine Schockstarre erleben, eine kurze trügerische Ruhe, die sich dann freilich geschwind in einer gewaltigen Implosion entladen wird? Ich habe mir jedenfalls schon mal vorgenommen, sehr zeitig aufzustehen. Und zur Sicherheit habe ich mir auch keine Termine auf den Vormittag gelegt …

Für’n Mülleimer …

oder Forschungen, die die Welt nicht braucht!

Die Tage noch „die Story im Ersten: Für immer jung“ geschaut. Darin werden die Arbeiten diverser Forscher vorgestellt, die sich die Verlängerung des menschlichen Lebens durch Verjüngung der Zellen zum Ziel gesetzt haben. Auch Google mischt in diesem Metier mit und wittert wohl ein Riesen-Geschäft, das dem amerikanischen Tech-Giganten bislang schon 15 Mrd. € wert war. Dieser Forschungszweig hat auch insbesondere in den USA Konjunktur, einerseits der liberaleren Gesetzgebung bspw. für Tier-Versuche wegen. Andererseits kursiert wohl dort auch ungleich mehr Risikokapital, öffentliches oder privates, für Forschungen jeglicher Art. Überhaupt die USA, denkt man an derlei Phantasien des vielleicht nicht gleich ewigen, aber zumindest des deutlich verlängerten Lebens, kommen mir unweigerlich irgendwelche abgehobenen hedonistischen und narzißtischen Tech-Milliarde aus dem Silicon Valley, oder auch einige selbstverliebte Kandidaten aus dem Show-Bizz, nicht zu vergessen „the real Donald“ in den Sinn, welche in der Überzeugung, allein an ihrem Wesen werde die Welt genesen, sich ihr fortdauerndes Dasein sicherlich ein hübsches Sümmchen kosten ließen. Das Land  der unbegrenzten Möglichkeiten eben, Körperkult und Selbstoptimierung auf die Spitze zu treiben.

Einer der in der Dokumentation auftretenden Wissenschaftler freilich, der deutsch-stämmige Genetiker und Bio-Statistiker Steve Horvath, geht von der Annahme aus, daß bspw. die Gabe von Blutplasma allenfalls in einer Anfangsphase bloß für Superreiche erschwinglich sein könnte, wenig später allerdings die Preise deutlich fallen dürften, so daß sich immer breitere Schichten den Genuß eines verjüngten Lebens leisten könnten. Ein Jungbrunnen für jedermann also, das junge Leben in vollen Zügen zu genießen – und ein schier unerschöpfliches Geschäftsfeld.

Gleichwohl stellt sich hiermit die ein oder andere Frage, welche mich an der Realisierung dieses Menschheits-Projekts zweifeln läßt. Immer mehr Menschen leben immer länger, doch von was sollen sie denn eigentlich leben, von was ihren Lebensunterhalt bestreiten? Die Zahl der Arbeitsplätze ist angesichts zunehmender Automatisierung und Digitalisierung ja ohnehin begrenzt. In welchen Bereichen der Wirtschaft könnten denn so viele neue Stellen entstehen, nur um erst einmal die weg-rationalisierten zu ersetzen? Und der allfällige Alters-Überschuß wäre damit noch gar nicht versorgt. Aber vielleicht befinden wir uns dann sowieso in einem Zeitalter, in dem die billig (zu re)produzierende Maschine sowieso ein Großteil an menschlicher Arbeit übernommen hat. Und ein jeder über ein großzügiges bedingungsloses Grund-Einkommen verfügen kann.

Das führt uns wiederum zum nächsten Problem. Es glaube doch niemand, daß, nachdem die Grundbedürfnisse Essen und Trinken, Hygiene und Wohnung  – wo überhaupt hausen: unter der Erde, Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer oder doch dort, wo einstmals die letzte grüne Wiese grünte? – sowie Kleidung gesichert sind, der erneuerte Mensch sich plötzlich selbstzufrieden in Bescheidenheit übt, auf Nachhaltigkeit in seiner persönlichen Lebensführung schwört und dabei stets in seiner Heimatregion verweilt! Nein, wohl kaum, der Verbrauch an Lebensmitteln, an Energie und vor allem auch an Konsumgütern würde noch weiter zunehmen – und damit auch der unwiederbringliche Verlust an Rohstoffen, die Verschmutzung der Luft oder die Vermüllung der Meere. 7,8 Mrd. Menschen auf Erden sind ja jetzt schon kaum tragbar. Derweil wir erst am Beginn von Verteilungskämpfen stehen. Bange machen gilt aber nicht. Denn auch hier ist Hoffnung in Sicht, arbeitet doch unser 200 Mrd.-US-Dollar-Mann Jeff Bezos bereits unermüdlich am Auszug der Menschheit von der Erde, den Mars zu erobern …

Und schließlich, seien wir einmal ehrlich, wer mag denn – neben der steten Wiederholung des Ewiggleichen, neben einem Dasein ohne Zentrum und Mitte  – auf Dauer in einer Welt leben, in der er resp. sie (oder neuerdings auch es) länger als lebenslang dazu verurteilt ist, einen Trump, einen Putin, einen Erdogan, eine Kardashian, einen Ronaldo, einen Hildmann oder Höcke, einen Bohlen oder Barth, die Klum und die Geissens oder wie all die Pappnasen und Möchtegerns aus der hinteren Reihe von YouTube oder TikTok denn noch heißen, als Zeitgenossen zu ertragen? Was wäre das andres denn endgültig die Hölle auf Erden, bloß notdürftig getarnt als spätrömische Dekadenz?

 

Ein Tribut

The John Coltrane Quartet: Africa

(The Complete Africa/Brass Sessions, 1961/1995, Impulse Records)

 

(Nicht bloß) Black Lives Matter.

 

Der neue Volkssport?!

  • Aktualisiert am

Sie werden zum Löschen eines Feuers gerufen und sehen sich plötzlich massiver Gewalt ausgesetzt: Dutzende Angreifer attackieren in Dietzenbach Feuerwehrleute und Polizisten. Hessens Innenminister Peter Beuth spricht von einem Hinterhalt und fordert harte Strafen.

(…)

Ja wo leben wir denn, und in welchen Zeiten?

Ist das bloß ein Probelauf, aber einer von vielen?

Wird hier wie dort etwa für den Sturm auf die längst bedrohte Civitas geprobt?

Oder handelt es sich hierbei, falles es sich nicht um politisch motivierte Straftaten dreht, um mehr oder weniger (nach allem, was man mittlerweile so liest, wohl eher letzteres!) spontane gewalttätige Explosionen sozialer Perspektivlosigkeit und Langeweile? Oder auch pure Lust am Krawall? Oder eine Mischung aus alle dem? Wie dem auch sei, früher existierten jedenfalls noch Grenzen und Respekt vor Ersthelfern, vor Rettungskräften. Heute begibt sich zunehmend selbst in Gefahr, wer – teils gar ehrenamtlich – systemrelevant Dienst am Gemeinwesen leistet. Welcher vernünftige Mensch mag sich das hinfort dann noch antun? Und ein Staat sollte sich solch eine Herausforderung seiner Autoriät auch nicht so ohne weiteres bieten lassen, sonst drohen solch anarchische Zustände langsam, aber sicher zum Normalzustand zu werden.

Derweil es auf der anderen Seite des Atlantiks zum wiederholten Male lebensgefährlich zu sein scheint, als Angehöriger einer ohnehin benachteiligten Minderheit zur falschen Zeit am falschen Ort auf die „Polizei, Dein Freund und Helfer“ zu treffen …

 

Eine Verschwörungstheorie der anderen Art.

Auszüge aus Artikeln der letzten zwei Wochen in der FAZ, die aufrütteln.

Wollte man nun zynisch sein und eine weitere gewagte Verschwörungstheorie in die Welt setzen, könnte man von einem avancierten Versuch sprechen, in diversen Regionen und Staaten jenseits des Ozeans sich der jeweiligen Unterschichten und Minderheiten – leider allzu häufig noch dazu deckungsgleich – auf elegante Weise zu entledigen … Darwin in seiner pseudo-sozialen Ausprägung scheint wieder en vogue. Die virale Auslöschung durch den Kolonialismus wiederholt sich. Willkommen zurück im neunzehnten / zwanzigsten Jahrhundert. Willkommen im Lande der von Regierungsseite exekutierten white supremacy Denn solange eine Gesellschaft eine endemische Durchsetzung insbesondere des Justiz- und Polizeiapparates mit strukturellem Rassismus duldet, wird es leider noch zahlreiche weitere unschuldige George Floyds geben.

Mord an Schwarzem in Georgia : „Immer nur einen Schritt vom Terror entfernt“

  • Von Frauke Steffens, New York
  • -Aktualisiert am 10.05.2020-19:43

Der Mord an dem jungen Jogger Ahmaud Arbery entsetzt viele Menschen in Amerika. Wieder haben Weiße einen unbewaffneten Schwarzen erschossen, der einfach nur laufen wollte.

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„Im Horrorfilm sterben wir auch zuerst“

Arberys Tod ist für viele Menschen Ausdruck des selben strukturellen Rassismus wie er sich auch in der Coronavirus-Krise äußert, weil besonders viele Schwarze an den Folgen einer Infektion sterben. Einer Analyse der Nachrichtenagentur Associated Press zufolge waren bis Mitte April 42 Prozent der an den Folgen des Coronavirus gestorbenen Amerikaner schwarz – ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 13 Prozent. Von der schlechten Gesundheitsversorgung im ländlichen Mississippi bis zur Verteilung umweltbedingter Asthmafälle in New York, von den Pflegerinnen in Altenheimen über die Insassen der Gefängnisse bis zu den Arbeitern in den Fleischfabriken – Menschen mit mehr als einem Risikofaktor für einen schweren Coronavirus-Verlauf sind sehr häufig nicht weiß.

„Black Lives Matter“ und viele schwarze Bewegungen davor gründeten den Kampf gegen Rassismus auch auf die Beobachtung, dass schwarze Körper noch weit mehr als die der weißen Arbeiter „disposable“ seien – verzichtbar, austauschbar, „wegwerfbar“. Damit gingen sie über die oft von Weißen entwickelte linke Theorie hinaus und fügten ihr Dimensionen hinzu. Die sehen viele nun bestätigt, weil die Industrie und die Regierung auf die Öffnung von Fleischfabriken und ganzen Bundesstaaten drängen, in denen Schwarze besonders oft vom Coronavirus betroffen sind.

(…)

Die aggressiven Proteste der Rechten gegen die Coronavirus-Schutzmaßnahmen und die schnelle Wiederöffnung republikanischer Bundesstaaten sehen manche Kommentatoren als Reaktion von Weißen auf die Tatsache an, dass das Coronavirus überproportional Minderheiten trifft. In Mississippi etwa, wo im April um die 70 Prozent der Verstorbenen schwarz waren, treibt die Regierung die Öffnung trotz leicht steigender Infektionszahlen voran. Die an der Rutgers Universität in New Jersey lehrende Kulturkritikerin Brittney Cooper nannte die schnelle Wiederöffnung der Wirtschaft auf Twitter gar eine „nekropolitische Kalkulation“, eine Inkaufnahme des Todes von mehr Schwarzen als Weißen.

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Indigene Völker : „Wir sind in Gefahr“

  • Von Tjerk Brühwiller
  • -Aktualisiert am 11.05.2020-10:57

Die Ankunft des Coronavirus in Amazonien bedroht die Urvölker. Ihr Immunsystem ist besonders anfällig. Quarantäne- oder verstärkte Hygienemaßnahmen sind dort kaum umzusetzen.

(…)

 

Immer mehr Corona-Tote : Brasiliens Jagd nach einem traurigen Rekord

  • Von Tjerk Brühwiller, São Paulo
  • -Aktualisiert am 21.05.2020-16:24

Das Coronavirus wurde von Brasilianern der oberen Einkommensschicht aus Europa ins Land getragen – und verbreitet sich nun rasant in den ärmeren Bevölkerungsschichten.

(…)

 

Two Story Treehouse, Wisconsin

Wie die Affen auf den Bäumen oder wohnen wie Tarzan und Robin Ha

oder Platz ist auf dem kahlsten Ast …

 

Und zum geneigten Weiterlesen:

 Downsizing à la chat

Aufgeschnappt: Downsizing mit Stil

 

Den Teufel mit dem Beelzebub …

Ne fürwahr, ist das wieder ein bestechender Vorschlag von Donald und seinen Spießrutengesellen: laßt uns einfach die Lehrer bewaffnen. Feuer frei also für von renitenten Schülern frustrierte Leerkörper, das Faustrecht der Prärie kehre ein in die Schule, welche ihre Insassen fortan noch besser auf die Gewalt dort draußen, auf das Leben im Wilden Westen vorzubereiten vermag, die gegenseitige Jagdsaison ist hiermit eröffnet.

Drakonische Sanktionen bis hin zur Todesstrafe verhindern bekanntlich keine Straftat. Und welcher potentielle Amokläufer rechnet nicht sowieso mit dem Verlust des eigenen Lebens, mit dem er ohnehin wohl bereits abgeschlossen haben wird, oder blendet diese Eventualität schlichtweg aus, nur um es den anderen, den „eigentlich Schuldigen“ einmal richtig zeigen zu können. Auch pädagogische „Hilfssheriffs“ werden also (Schul-)Massaker künftig kaum verhindern können. Eher das Gegenteil wird eintreten: vorschneller Gebrauch der Waffe, wenig kaschierter Mißbrauch („der Neger verhielt sich verdächtig und machte plötzlich eine Bewegung …“) bis hin zu neuerlichen Gewaltausbrüchen mit zahlreichen unschuldigen Opfern, begangen dann aber von einer neuen Tätergruppe. Da muß man schon Hand anlegen an die Wurzel des Übels. Aber wes Brot ich ess, des Lied ich sing, gell Donald! Im Übrigen ist es schließlich einfach pervers, welcher Unfug noch immer und immer wieder im Namen der Freiheit getrieben werden kann.