Schlagwort-Archive: staatspolitische Verantwortung

Wessen Ausgrenzung?

Allenthalben hört oder liest man, die Wähler der AfD dürften nicht verunglimpft oder ausgegrenzt werden, zumal man einen Wähleranteil von bis zu einem Viertel der abgegebenen gültigen Stimmen aus demokratischer Sicht nicht so ohne Weiteres ignorieren könne oder dürfe. Die Parteien der alten Bonner Republik, insbesondere natürlich die CDU/CSU, versuchen denn auch, diese Wähler zurück in den Schoß der demokratischen Parteien-Familie zu führen, jedoch nicht allein aus altruistischen Motiven staatspolitischer Verantwortung. Häufig wird in diesem Zusammenhang behauptet, viele Menschen wählten die AfD nicht wegen, sondern trotz ihrer antidemokratischen oder völkisch-rassistischen Ausfälle. Dahinter mag wohl die Vermutung oder die Hoffnung stehen, daß das Gros dieser Wählerschaft nur vorübergehend bei der Alternative ihr Kreuzchen setzt – deren Anliegen und Programmatik (beispielsweise Infrastruktur und Grundversorgung in den östlichen Bundesländern) im Kern auch anzuerkennen sei (was freilich verkennt, daß diese Politikfelder auch bloß darum so intensiv alternativ bedient werden, um das angebliche Versagen des demokratischen Systems bundesrepublikanischer Prägung anzuprangern und damit also generell publikumswirksam verächtlich zu machen) -, ihre demokratische Seriosität ansonsten aber über jeden Zweifel erhaben sei.  Eine aktuelle Studie des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig, basierend auf einer repräsentativen Umfrage unter 2416 Wahlberechtigten von Mai bis Juli 2018, scheint indes gerade das Gegenteil nahezulegen. Anhand des „Leipziger Fragebogen zur rechtsextremen Einstellung  (FR-LF)“ sollten sich die Probanden zu den folgenden Dimensionen (zu je drei Aussagen) positionieren:

  • Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur,
  • Chauvinismus,
  • Ausländerfeindlichkeit,
  • Sozialdarwinismus,
  • Antisemitismus sowie
  • Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Die jeweilig Gewichtung der einzelnen Items durch Sympathisanten der AfD lassen demnach den Schluß zu, daß

„AfD-Wähler_innen über alle Dimensionen hinweg signifikant höhere Zustimmungswerte in Bezug auf die Dimensionen des Rechtsextremismus zeigten, als die Wähler_innen der anderen Parteien, Nichtwähler_innen und Unentschlossene. Neben der sehr hohen Zustimmung zu Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit unter AfD-Wähler_innen zeigt sich auch eine im Schnitt deutlich erhöhte Ablehnung der Demokratie (Befürwortung einer Rechtsautoritären Diktatur) sowie hoher Antisemitismus, Sozialdarwinismus und ein ausgeprägter Hang zur Verharmlosung des Nationalsozialismus.“ (Vgl. Leipziger Autoritarismus-Studien – Rechtsextremismus, Gewaltbereitschaft, Antisemitismus, Leipzig 2020, S. 8, Schaubilder auf den fortfolgenden Seiten)

Oder, mit anderen Worten, diese Wählerschichten haben sich selbst ausgegrenzt aus dem demokratischen Konsens, haben den einstigen Volksparteien CDU/CSU und SPD (sowie der Linken) bewußt den Rücken gekehrt und eine politische Heimat in der AfD gefunden, welche sie gerade w e g e n deren Aggressivität, politischen Unkorrektheit und systemsprengenden Tendenz unterstützen. Diese für sich zurückgewinnen zu wollen, bedeutete dann nichts anderes, die häufig bemühte und für sich selbst reklamierte Mitte tatsächlich zu verlassen, um den Preis freilich, eben dort empfindlich zu verlieren. Die Konsequenz daraus kann m. E. bloß sein, keinerlei inhaltliche oder andere Konzessionen nach rechts zu machen, denn ein Großteil dieser Wähler dürfte auf Dauer wohl verloren sein. Es dürfte aber wohl auch nicht schaden, tatsächlich einmal konsequent Politik für die große Mitte (worunter ich auch die soziale Unterschicht rechne!) zu machen, und nicht bloß für selbsternannte Möchtegern-Leistungsträger.

Welche Glaubwürdigkeit und warum – quasi ein offener Brief

Liebe Bundes- (und Landes-)CDU!

Also, langsam aber sicher gehst Du mir gehörig auf den Keks mit Deinem endlosen kopf- und führungslosen Rumgeeiere um die Landtags- und Ministerpräsident-Wahl in Thüringen. Nun verwirft Dein jugendlicher Generalsekretär. P. Z., die gestrige Einigung der regionalen Spitzen-Gliederungen von  Linke, SPD, Grüne und CDU in Bausch und Bogen, sekundiert von irgendwelchen semi-prominenten Fraktions- oder Landesvorsitzenden oder Geschäftsführern irgendwelcher Länder. Aber was, bitteschön, ist denn dann die Alternative für Deutschlamd, äh Thüringen? Eine umgehende Neuwahl wird vor Ort kategorisch ausgeschlossen, verständlicherweise nach der Vorgeschichte und der zu erwartenden niederschmetternden Quittung hierfür, wenn auch sehr egoistisch. Das spricht allerdings auch nicht gerade für Deine eigene Durchsetzungsstärke. Sieht man einmal von den spezifisch von der Thüringer Verfassung gegebenen Vorraussetzungen hierfür ab – eventuell ist man für ein solches Vorhaben auch auf Stimmen aus der AfD angewiesen, welche sich also kurzerhand verweigern könnte – , ist der Zeitpunkt durch Deine neuerliche Volte, liebe Bundes-CDU, endgültig ungenutzt verstrichen.

Die andere Pseudo-Alternative, die mir in den Sinn kommt, nämlich einen eigenen Ministerpräsidenten-Kandidaten aufzustellen, ist angesichts der obwaltenden Gemengelage ein mehr als kühnes Unterfangen und dürfte in einem ähnlichen Fiasko enden wie am Fünten Februar, falls sich nicht doch noch Abgeordnete von SPD oder Grünen Deiner Vertreter vor Ort erbarmten – und sich die AfD heroisch enthielte. Der geeignete gesichtswahrende Zeitpunkt hierfür ist also auch verstrichen. Zumal die dortige CDU noch kopfloser dasteht, auch durch Dein eigenes Zutun. Das Experiment mit Christine Lieberknecht, immerhin eine Parteigenossin, scheiterte wiederum an dem Zaudern der Parteigranden vor Ort. Mag der Vorschlag von Bodo Ramelow denn  tatsächlich vergiftet gewesen sein, immerhin wäre nicht der Dir verhaßte Vorgenannte an der Spitze der wenn auch provisorischen Experten-Exekutive gestanden. Von pragmatischer Weitsicht zeugte also auch dies Gebaren jedenfalls nicht.

Und so mußt Du Dir, liebe Bundes-CDU, in der Tat die Frage stellen nach Deiner Glaubwürdigkeit, aber in einem ganz anderen Sinne als Du es meinst. Denn es könnte durchaus sein, daß Du neuerlich an Vertrauen und Zustimmung verlierst, aber weil Du seit dem Wahlabend vorigen Jahres ideologisch verbohrt bist durch diese schiefe kategorische beidseitige Ausschließeritis an der politischen Realität vor Ort vorbei und es Dir neuerdings absolut an pragmatischer Vernunft mangelt – ein simpler Blick auf die Arithmetik des Wahlergebnisses genügt um zu fragen, wo denn Deine staatspolitische Verantwortung geblieben ist – , dieses unwürdige bürgerliche Trauerspiel zu beenden. Stattdessen reitest Du Dich immer weiter in das Schlamassel hinein …