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Ein Tribut

The John Coltrane Quartet: Africa

(The Complete Africa/Brass Sessions, 1961/1995, Impulse Records)

 

(Nicht bloß) Black Lives Matter.

 

Über Ultras – diesseits und jenseits.

Das weite Stadionrund. Irgendwo prangt ein Fadenkreuz. Überdimensioniert. Eine Person im Fokus, deutlich zu erkennen. Es handelt sich um Dietmar Hopp, seines Zeichens Mitgründer von SAP und milliardenschwerer Mäzen des Fußballbundesligisten TSG Hoffenheim. Das übermannsgroße Plakat entrollten denn auch nicht Anhänger der Kraichgauer, sondern sogenannte Ultras gegnerischer Mannschaften;  geschehen in Herbst und Winter der laufenden Saison, menschenverachtend, gleichwohl dem Geist der Zeit entsprechend. Ultras, hartgesottene Fans, deren Leben aus wenig mehr denn Fußball zu bestehen scheint. Und die deshalb auch kaum Spaß verstehen. Sie sehen sich stattdessen als Hüter der reinen Lehre ihrer Religion. Und setzen sich dementsprechend gegen zunehmende Kommerzialisierung, Eventisierung und Vermassung zur Wehr. Weshalb ihnen auch die durch Hopps Zuwendungen üppig alimentierte TSG ein Dorn im Auge sein dürfte. An sich hehre Anliegen. Dank derer sich die Ultras vielfach zu den dominanten Fan-Gruppierungen innerhalb ihrer Vereine entwickelt haben, nicht unbedingt der absoluten Anzahl an Unterstützern wegen, jedoch nach Einfluß. Wäre da nicht ihr teils mehr als indifferentes Verhältnis zu Gewaltanwendung. Und ihre nicht unproblematische Nähe zur politischen Rechten. Was durchaus mit ihrem martialischen Auftreten korrespondiert oder ihrer straffen Organisation oder einem einheitlichen Auftreten. So weit, so bescheiden.

Szenenwechsel. Wenden wir unseren Blick auf die andere Seite des Atlantiks, genauer nach Brasilien. Dort scheint der rechtspopulistische Präsident und Ex-Militär Jair Bolsonaro mehr und mehr die autoritäre Karte zu ziehen in seiner Auseinandersetzung mit den anderen Verfassungsorganen, insbesondere auf Seiten der Justiz. Durch mittlerweile geläufige Hetzkampagnen off- und online bringt er seine gläubige Anhängerschaft gegen seine Kritiker in Stellung. Doch nicht etwa die linke Opposition oder die Gewerkschaften lehnen sich dagegen auf. Nein, gestandene Fußball-Fans, Ultras, insbesondere aus Sao Paulo und Rio de Janeiro stehen an der Spitze von und organisieren Proteste/n. Deren Widerständigkeit unter dem Banner der Demokratie hat dabei eine lange Tradition. Denn bereits unter der Militärdiktatur, welche Brasilien von den 1960er bis in die 1980er beherrschte, lebten jene Fangruppen durch innere Demokratie eine gesellschaftliche Alternative vor. Diese Werthaltung blieb dann offenbar auch über die Jahre der formalen Demokratisierung lebendig und präsent. Was zu einem nicht unwesentlichen Grade sicherlich der Tatsache geschuldet ist, daß Brasilien trotz aller wirtschaftlichen Erfolge (mit seinem BIP 2018 auf Rang 9/193 aller Volkswirtschaften laut IWF) ein Gemeinwesen geblieben ist, das hohes Konfliktpotential anhand sozioökonomischer Frontstellungen birgt. Denn die Kluft, die sich zwischen einer exklusiven und immens wohlhabenden Oberschicht auf der einen und einer viel zu breiten unterprivilegierten, bitteramen Unterschicht – ganz zu schweigen von den Ureinwohnern – auf der anderen Seite auftut, ist, wie fast überall in Lateinamerika, allzu groß. Darüber hinaus ist das politische System als notorisch korrupt verrufen (Platz 106/180 laut cpi-Index 2019 von Transparency International), Und schließlich herrscht dort ein latentes Klima der Gewalt vor (Platz 126/163 laut dem Global Peace Index 2020). Bedienungsfaktoren also, die erst einen selbst ernannten „Aufräumer“ wie eben einen J. B. an die Oberfläche spülen konnten. Zum Preis freilich von weiter zunehmender Spaltung, eine Art Paradoxon des Populismus. Gerade unter solch prägenden fragilen Zuständen ist es umso wichtiger, daß sich zumindest Teile der Zivilgesellschaft – denn es gibt in Brasilien natürlich auch Fußball-Anhänger, welche Bolsonaro unterstützen und also dem rechten politischen Spektrum zuzurechnen sind – für zivile Umgangsformen im Alltag und in der Aushandlung politischer Fragen aktiv einsetzen.

Ultras bundesligadeutscher Couleur scheinen dagegen vielmehr allzu satt und saturiert zu sein – wenn man sich bspw. schon eine Dauerkarte und Fahrten zu Auswärtsspielen leisten kann – und darüber hinaus schlichtweg unambitioniert, als daß von dieser Seite ein verantwortungsvolles Eintreten für gesellschaftliche Belange zu erwarten wäre, Erfahrungen mit einer Diktatur existieren fast nur noch aus zweiter Hand, als daß sie in diesem Milieu aktuell handlungsleitend wirken könnten. Und in dem Teil Deutschlands, wo die Konfrontation mit einem diktatorischen Regime noch nicht gar zu lange vorüber ist und also Spuren im kollektiven Gedächtnis bzw. im Alltagsleben hinterlassen haben könnte, fallen gerade „Fans“ unterklassiger Vereine aus Sachsen, Anhalt oder Thüringen immer wieder mit Gewaltbereitschaft  und rechtsradikalen Parolen auf. (Daß es in Ostdeutschland außer Union Berlin – und dem Sonderfall RB Leipzig – keine weiteren Erstbundesligisten gibt und die Anzahl der ostdeutschen Vereine in der Zweiten Liga mehr als überschaubar ist – ohne Aussicht auf Besserung –, ist freilich eine andere Geschichte, Stichwort: „verblühte Landschaften“!) Vielleicht lassen ja die Erfahrungen mit coronalen Einschränkungen oder die aktuelle Protestwelle gegen unverhältnismäßige Polzeigewalt und Rassismus den ein oder anderen „Fußball-Proleten“ hierzulande auch einmal nachdenklich innehalten. Allein darauf zu vertrauen, fällt schwer …

 

Quellen bzw zur weiteren Lektüre:

 

Das kann doch wohl kein Zufall sein.

Da wird kürzlich erst eine bundesweit verzweigte mutmaßliche rechtsterroristische Vereinigung ausgehoben, deren Anschlagspläne anscheinend weit gediehen waren. Und nur wenige Tage darauf, gestern Abend, 19.02.2020, begeht wohl ein Einzeltäter einen terroristschen Amoklauf in Hanau. Es brauchen hier keineswegs direkte Verbindungen bestanden zu haben. Brüder im Geiste zu sein genügt völlig. Und auch wenn über die unschuldigen Opfer wenig bekannt ist, läßt der Tatort doch schon auf die Absicht und die „Motivation“ schließen (Obgleich der Schreiber dieser Zeilen vergangene Nacht im ersten Moment Abrechnungen im kriminellen Milieu vermutete.) – Mordlust aufgrund von Fremdenfeindlichkeit. Mit dem Ziel, Unruhe zu stiften, Racheaktionen zu provozieren, bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen und darüber unser politisches System zu stürzen.

Wenn die Selbstoffenbarungen des mutmaßlichen Täters tatsächlich zutreffen, ist jedenfalls auffällig, daß krude Verschwörungstheorien offenbar auch in akademischen Kreisen positiv rezipiert und als Handlungsaufruf interpretiert werden, geistige Verwirrung hin oder her. Es muß also nicht zwangsläufig eine „verkrachte Existenz“ sein. Der Mann war aber anscheinend bislang unter dem Radar der Sicherheitsorgane geblieben. Die Bedrohung durch sogenannte einsame Wölfe ist jedenfalls real und vielleicht größer als gedacht. Und so werden sich sicherlich weitere fanatisierte Nachahmer aus allen Gesellschaftschichten finden, befördert durch ein von geistigen Brandstiftern entsprechend vergiftetes politisches Klima in den Parlamenten selbst und radikalisiert durch Filterblasen in den dunklen Weiten des Netzes. Die Saat geht auf ..

Eine neue Folge unserer beliebten Serie „dämliche Justiz“

Heute:  u. a. Oury Jalloh

Die Frage steht im Raume, ob Oury Jalloh damals vor über zwölf Jahren im Gewahrsam einer Dessauer Polizei-Dienststelle, an Händen und Füßen gefesselt und verbrannt, eventuell bereits vor Ausbruch des Feuers tot war, d. h. ermordet wurde. Wenn auch nur der leiseste begründete Verdacht besteht, wie die jetzt veröffentlichten Gutachten nahelegen, dann ist es gefälligst eines Rechtstaates Pflicht und Schuldigkeit, dem nachzugehen und möglichst lückenlos aufzuklären. Gerade wenn es sich um einen Asylbewerber aus Sierra Leone handelt, dessen Hinterbliebene im Gegensatz zu wahrscheinlich solventeren Europäern wohl kaum den notwendigen gesellschaftlich-politischen Druck aufzubauen vermögen. Da braucht sich eine doch etwas zögerliche leitende Oberstaatsanwältin auch nicht lautstark über die offenbar illegale Publikation der fraglichen Gutachten zu echauffieren, nur weil diese sie womöglich aus ihrer Geschäftsroutine reißt und sie zu einer öffentlichen Reaktion zwingt. Da muß mann wie frau sich eben mal aus ihrer stromlinien-karriere-orientierten Bequemlichkeit aufraffen und – einem Stoß-Stürmer im Fußball gleich – dort hingehen, wo es weh tut, und auch mal in ein Wespennest stechen, auch wenn das bedeutet, den eigenen (oder eben einen benachbarten) Justizbetrieb gehörig aufzumischen, was zugegeben intern nicht gerade viel Lorbeer verspricht. Oder sind sie in Halle etwa stramm deutsch-national? Die Nähe zu Sachsen wäre ja schon mal gegeben …

Postsciptum 07.12.2017:

Nachdem die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen im Oktober eingestellt hatte, betraut nun die Justizministerin von S-A, Anne-Marie Keding (CDU), welche darob von Teilen der Opposition unter Druck geraten war, die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg mit der weiteren Prüfung des Falles.

Fall zwei:

Kuwait Airways darf laut eines Entscheids des Landgerichts Frankfurt einen israelischen Staatsbürger, der von Frankfurt aus via Kuwait gen Bangkok fliegen wollte, als Passagier abweisen aufgrund eines Gesetzes des Golfstaates von 1964, welches „Vereinbarungen mit israelischen Staatsangehörigen verbietet“. Auch eine Entschädigung wird im weiteren Gang abgelehnt mit der irgendwie seltsam anmutenden Begründung, „das Antidiskriminierungsgesetz gelte nur bei einer Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder der Religion, nicht aber wegen einer bestimmten Staatsangehörigkeit.“ Auch wenn „Rasse“ oder „ethnische Herkunft“ als Ursache einer Diskriminierung in diesem Falle tatsächlich nicht greifen –  bei „Religion“ habe ich da indes so meine Zweifel -, wurde der Kläger doch offenbar Opfer einer (dritt-staatlich sanktionierten) Diskriminierung gerade aufgrund seiner Staatsangehörigkeit. Gleichwohl könne man es dem Unternehmen schlichtweg nicht zumuten, „einen Vertrag zu erfüllen, wenn (es) damit einen Gesetzesverstoß nach den Regeln (seines) eigenen Staates begehe und (es) deswegen damit rechnen müsse, dort bestraft zu werden“, wie es in der Begründung heißt. Ja, wieso eigentlich nicht, so mag man unweigerlich fragen, zumal die Fluggesellschaft sich eben nicht in Privatbesitz befindet, sondern in öffentlicher Hand. Somit handelt es sich hierbei meiner Meinung nach im schlimmsten Falle um juristische Haarspalterei mit leicht antisemitischem Unterton, gepaart mit einer allzu offensichtlichen indifferenten Servilität. Denn ein anderslautendes Votum könnte ja vielleicht und unter Umständen und eventuell zu diplomatischen Verwicklungen, oder, schlimmer noch, zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Der Effekt ähnelt daher eher einem Verhalten, so als ob sich in den 1930er und 40er Jahren alle Staaten der Welt die antisemitische Gesetzgebung des III. Reichs zu eigen gemacht hätten. Im andern Falle schließlich taugt besagtes Gesetz schlichtweg nichts, da es einen eklatanten Konstruktionsfehler aufweist.

To be continued, I’m afraid …

Im rechten Glashaus …

Am späten Montagabend dieser Woche (resp. via Mediathek gestern Nachmittag): die ARD zeigt die Reportage „Kreuz ohne Haken. Die Kirche und die Rechten“, eine Dokumentation über die Auseinandersetzung einzelner aufrechter Pfarrer mit Rechtsextremen, nicht erst seit der Flüchtlingskrise. Das Ressentiment der Rechten gegenüber den christlichen Kirchen bringt ein katholischer Politikwissenschaftler und Publizist, A. Püttmann, darin wie folgt auf den Punkt:

 „Dann betrachten sie die Kirche auch als eine schützende Funktion für sogenannte minderwertige Menschen, die irgendein Handicap haben, die nicht dem Ideal des robusten, siegreichen, in der Regel ja auch Mannes entsprechen, sondern sich um das Gebrochene und Schwache kümmern.“ (A. Püttmann)

Nietzsche läßt grüßen. Dem aufmerksamem Zeitgenossen fällt dabei freilich unweigerlich die Tatsache ins Auge, daß auch manche Tiefbegabte, Mindebemittelte und Schwachmaten in den Reihen eben dieser Rechtsextremen mitmarschieren. Doch wenn es der „nationalen Befreiung“ dient, nimmt man offenbar manchen Widerspruch in Kauf. Und im Übrigen eignet sich das gemeine Fußvolk doch prima als Schlägertrupp, Kanonenfutter oder Folterknecht …