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Kann es nicht noch ein bißchen mehr (potentielles) Unglück sein – oder was das Publikum begehrt und wie Medien arbeiten

Donnerstagabend vergangener Woche kam es bekanntlich zu einem Zugunglück südlich Freiburgs, bei dem der Lokomotivführer eines Güterzuges verstarb, als dieser durch die Kollision mit einem auf die Gleise herabgestürzten Teil einer Brücke entgleiste.

Als nähere Umstände noch nicht bekannt waren, titelte der Korrespondent noch nüchtern:

Zug kollidiert mit Brücke : Ein Toter bei Güterzugunfall südlich von Freiburg

  • Aktualisiert am 02.04.2020-22:20

Südlich von Freiburg ist ein Güterzug mit einer Brücke kollidiert und entgleist. Der Fahrer ist tot, mehrere Menschen werden verletzt.

(…)

Einen starken halben Tag später und mittlerweile in Kenntnis des weiteren Verkehrsgeschehens vor Ort um den Tatzeitpunkt, hat sich der Fokus in der Schlagzeile des Berichterstatters der FAZ deutlich gewendet:

Bahnunglück in Auggen : ICE entging knapp der Katastrophe

  • -Aktualisiert am 03.04.2020-14:11

Am Donnerstag ist ein Lokführer ums Leben gekommen, weil bei Auggen ein Betonteil von einer Brücke auf die Gleise gestürzt war. Wenige Minuten zuvor hatte ein aus Freiburg kommender ICE den Bahnabschnitt passiert.

(…)

Der beklagenswerte Tote findet zwar – ganz im Gegensatz zu den Verletzten – noch Erwähnung, steht aber nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, denn die Aussicht, daß ein ICE  aus den Gleisen hätte springen können, hätte doch viel mehr Tod und Drama versprochen, wonach das Publikum seit eh und je lechzt. Allein, es sollte nicht sein. Na, vielleicht dann beim nächsten Mal wieder …

 

Ein Buchtipp hierzu wäre Sontag, Susan (2003): Das Leiden anderer betrachten. Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser, München, Wien.