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Master of Disaster oder (fast) überall bloß Verlierer …

Ooops, he did it again!

Solch unfreiwillige Ehrlichkeit muß man im Grunde bewundern. Christian Lindner ist sein persönlicher Einsatz vor Ort in Erfurt zwar zugutezuhalten, welcher mit zwei Tagen Verzögerung nun zum Rückzug seines Parteigenossen Thomas Kemmerich als thüringischer Ministerpräsident von AfDs Gnaden führte. Hernach rief er sogleich den Parteivorstand ein, um sich dessen Rückhalts zu versichern. Jener sprach ihm gestern dann überraschend deutlich das Vertrauen aus. (Auch nur ein Beleg dafür, daß es sich bei der FDP um eine One-Man-Show handelt). Lindners Presseerklärung offenbarte dann freilich aufs Neue, welch naiv-dreistes Spitzenpersonal die FDP ziert. „Wir haben uns in der AfD geirrt“(!), zitierte die FAZ nicht ohne Häme im Titel. Allen Ernstes, Herr Lindner?! Sie wollen dem poliischen Publikum tatsächlich weismachen, daß Sie nicht die Möglichkeit einer Unterstützung einer liberalen Kandidatur durch die völkisch angehauchte Höcke-AfD durchspielten? Falls aber doch, darin dann dennoch kein größeres Problem sahen, und die Wahl sogar annehmen ließen? Selbst wenn es sich um eine nachträgliche Behauptung  der Deutsch-Alternativen handelte, ihr Abstimmungsverhalten für einen etwaigen dritten Wahlgang mit einem dann möglichen bürgerlichen Kandidaten sei hinlänglich bekannt gewesen, so zeugt das liberale Agieren neuerlich von politischer Unbedarftheit. Oder eben Dreistigkeit. Mit der stets sich selbst attestierten politischen Vernunft scheint es jedenfalls nicht allzu weit her zu sein. Wo ist der weiße Ritter, der es diesem Knaben endlich beibringt, daß er seinem Job offenbar nicht recht gewachsen ist? Eine erste Maßnahme: weniger Talkshow-Tingeltangel und dafür einmal konzentriert die Hausaufgaben machen. Einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts zufolge halbiert sich der Zuspruch für die FDP bei der Sonntagsfrage jedenfalls um die Hälfte auf nun noch Fünf Prozent …

Auch bei dem anderen Partner in Crime offenbarte die Causa Ministerpräsidentenwahl nicht gerade Weitblick oder Durchsetzungskraft. Erst schränkte die Berliner Parteiführung um AKK durch ihre unglückselige Äqui-Distanz zwischen Linken und AfD die Handlungsoptionen ihres thüringischen Landesverbands nach der Wahl nachhaltig ein. Zumal, wie erinnerlich, selbst eine große „Bonner Koalition“ aus SPD, Grünen und FDP unter Führung der CDU keine Mehrheit mehr auf sich vereinen konnte. Dann hielt sich jener kleine Landesverband nicht an die vorgegebene Marschrichtung einer fortgesetzten Enthaltung im dritten Wahlgang. Und nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer sich ebenfalls persönlich gen Erfurt aufgemacht hatte, um seitens der CDU den Weg für Neuwahlen freizumachen, da verweigern sich die dortigen schwarzen Abgeordneten in Sorge wohl um ihre parlamentarischen Pfründe diesem von ihnen quasi als „Diktat“ gebrandmarkten Ansinnen der Parteiführung im Bund. Und nehmen also die Bundespartei und ihre Führung, welche das Wohl der Gesamtpartei im Blick hat, in Haftung für ihr persönliches „Fehlverhalten“. Obwohl angeblich jedes einzelne Fraktionsmitglied die Frage ihres eigenen Vorsitzenden am Tag vor der unsäglichen Ministerpräsidentenwahl, ob sie denn bereit seien, individuell die Konsequenzen zu übernehmen für eine etwaige Mitwahl Thomas Kemmerichs, bejahte … Daß nun wiederum die Bundesregierung bzw. der Koalitionsausschuß mit dem Gewicht der Bundeskanzlerin und auf Druck der Morgenluft witternden SPD sich genötigt fühlte einzugreifen, läßt für die nominelle CDU-Vorsitzende nun jedenfalls auch nicht unbedingt eine rosige Zukunft erwarten. (Auch wenn es natürlich bedenklich ist, eine an sich regelkonform zustande gekommene Wahl unbedingt meint revidieren zu müssen. Die Protagonisten vor Ort sind freilich auch „verbrannt“, weshalb eine Neuwahl des gesamten Landtags neuerliche demokratische Legitimation verschaffen könnte.)

Unmittelbare Folge ganz allgemein sollte nun u. a. sein, den Umgang mit der AfD einerseits und ihren Wälern andererseits nochmals kritisch zu überprüfen und dann auch öffentlich zu kommunizieren. Denn daß sich bis zu einem Viertel der Wählerschaft auf Dauer nicht ignorieren lassen, liegt auf der Hand. Aber man muß sich für derlei Feldversuche ja nicht unbedingt den radikalsten Landesverband aussuchen.

Pleiten, Pech und Pannen also? Oder sind nicht vielmehr alle hier aufgeführten Beteiligten sehenden Auges, aber irgendwie doch ohne Sinn und Verstand gesprungen? Wie dem auch sei, der Schaden ist da, und es ist unser aller Schaden: die politische Kultur, ohnehin lange schon unter Druck, hat neuerlich beträchtlich Schaden genommen. Oder, wie es der Kommentator meiner Hauspostille treffend ausdrückt: „Die bürgerlichen Parteien haben in Erfurt verspielt, was im politischen Geschäft eine der wichtigsten Währungen ist: ihre Glaubwürdigkeit.“ Denk ich an Deutschland in der Nacht …

PS, 22.02.2020: Der vorläufige Schlußpunkt des bürgerliichen Trauerspiels? Warum nicht gleich so oder so ähnlich!!!

Vom Dienst an der Waffe …

So, so, die gute, alte Bundeswehr möchte also (EU-)Ausländer für die Truppe rekrutieren. (Da erfüllt sich am Ende gar doch noch die Europa-Vision der Waffen-SS  …?). Nach ersten Verlautbarungen vornehmlich als Militär-Ärzte oder IT-Spezialisten. An sich durchaus folgerichtig: wieso sollen, der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU sei’s gedankt, nicht lange Jahre in Deutschland lebende Männer und Frauen dort an der Waffe dienen, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befindet? Vorausgesetzt, es ergeben sich keine Konflikte aufgrund doppelter Loyalitäten. Scheint es angesichts neuer Bedrohungslagen in Ost und Süd indes nicht absehbar, daß alsbald auch Kampfformationen durch Ausländer aufzufüllen wären? Zumal es der Bundeswehr heutzutage kaum recht gelingt, in Konkurrenz zur freien Wirtschaft oder der öffentlichen Verwaltung adäquates Personal für sich zu gewinnen.

Hier rächt sich also erneut der kurzsichtige Entscheid, die Wehrpflicht auszusetzen. Die Armee eines demokratisch verfassten Gemeinwesens mit einer derart belasteten Vergangenheit sollte allerdings gerade durch das Instrument der Wehrpflicht in die Gesellschaft ein- und an sie zurückgebunden sein. Als Korrektiv und Kontrollorgan, aber auch zur Steigerung ihrer Legitimation und Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung und der Politik. Ohne Wehrpflichtige nimmt indes der Anteil jener Armee-Angehörigen zu, die allein aufgrund ihrer autoritätsgläubigen Persönlichkeit bzw. ihrer militär- und gewalt-affinen Veranlagung in die Truppe eintreten. Das seinerseits erhöht die Gefahr einer Ausbildung (rechter) gewaltbereiter Parallel-Strukturen in den Streitkräften. Angesichts der Etablierung einer rechts-populistischen Partei in Bund und Ländern nicht unproblematisch. Ob sich derlei Gefährdungen  durch eine verstärkte Einstellung von ausländischen Bewerbern auf Dauer unterbinden lassen, mag jedoch anzuzweifeln sein …