Schlagwort-Archive: Klimawandel

Mein Freund, der Baum …

Ehedem erblickte ich von meinem Balkon aus ein stolzes, weil widerständiges Laub-Bäumchen. Am Rande des Grundstücks gelegen, nah an einer Böschung sich erhebend, vis-à-vis des Funktionsbaues einer kleinen Werft, spendete es Schatten und bot wohl manchen Vogelfamilien ein Heim. Doch eines schönen Morgens wurde ich von ohrenbetäubendem Lärm geweckt; einem Überfallkommando gleich, rückte doch tatsächlich ein Baumfälltrupp an und sägte besagtes Bäumchen kurzerhand ab. Der darüberliegenden Ferienwohnung nahm es angeblich zu viel Licht und seine Äste trieben angeblich allzu raumgreifend. Daher senkte die Hausgemeinschaft den Daumen. Erwogen die Eigentümer denn nicht die Möglichkeit, das wackere Bäumchen beizeiten zurechtzustutzen, um diese grüne Mikro-Lunge weiter zu erhalten? Wie dem auch sei, und welche (vermeintlich) objektiven Gründe dem auch entgegenstanden: Dieser Baumfrevel, wie manch anderer auch, erzürnt den Schreiber dieser Zeilen jedenfalls bis heute. (Auch wenn es natürlich sein kann, daß der vorvergangene Dürre-Sommer Achtzehn unserem Bäumchen ohnehin den Garaus gemacht haben würde.) Dies sind nun die kläglichen Überreste des kleinen Biotops, bloßes Gestrüpp kaschiert kaum einen bemitleidenswerten Torso …

Szenenwechsel, einige wenige hundert Meter Luftlinie gen Osten in den nächsten Ortsteil.

Ein strammes Nadel-Bäumchen, frisch gepflanzt, in unmittelbarer Nachbarschaft eines immerhin schmucken Baumstumpfs, wartet ungeduldig darauf, luftige Höhen erklimmen zu können und über das Ufer zu wachen als weithin sichtbarer Solitär. Die Hoffnung bleibt …

Photographie © LuxOr

Verrat am eigenen Erbe

Anfangs, d h vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, focht der politische Liberalismus für bürgerliche Freiheitsrechte jeglicher Art; das schloss das Recht freier Meinungsäußerung ein, die Freiheit, sich öffentlich zu versammeln, um das je eigene politische Anliegen frei zu kommunizieren und zu debattieren, als auch das Recht, Widerstand zu leisten, sollte die Exekutive eine Politik verfolgen, welche den fundamentalen Lebensinteressen eines jeden Bürgers bzw. der Gesellschaft in Gänze zuwiderlief. Will man sich also berechtigt Gehör verschaffen, muß man den unkonventionellen Weg gehen, muß man bisweilen in Maßen Grenzen überschreiten und gewisse Regeln brechen.

Doch das scheint alles lange her zu sein. Die liberalen Vorkämpfer der Freiheitsrechte von einst würden sich heute womöglich im Grabe herumdrehen angesichts all der politischen Leichtmatrosen und egoistischen Besitzstandswahrer, welche gleichwohl behaupten, ihr Erbe fortzuführen. Auf einmal wird hier in plötzlicher schnöder etatistischer Manier auf die Einhaltung von Regeln gepocht – in Sachen kreativer Steuervermeidung bspw. nehmen es dieselben Lautsprecher oder zumindest manche ihrer Klientel bisweilen selbst nicht so genau mit Regeln und Anstand –, so als ob durch dieses zarte Aufbäumen die Gesellschaft komplett in Aufruhr versetzt würde und daraus alsbald das blanke Chaos folge. Obgleich die versammelte Schülerschaft in wohl überlegter Eigenverantwortung und Mündigkeit für die Gemeinschaft und künftige Generationen handelt, eine Haltung, eine Motivation gleichsam, welche der reflektierte Liberale eigentlich von jeher hochgehalten hat. (Es mag unter den Demonstranten sicherlich der ein oder andere Schul- und Streikschwänzer sich befinden, aber welche politische Streikbewegung kommt schon ohne passive Nutznießer aus? Die Diskussion darüber, was denn nun ein Streik genau sei und ob also die SchülerInnen sich an einem Friday-for-Future-Ausstand überhaupt beteiligen dürfen, dient im Übrigen auch bloß als Mittel zum Zweck, vom eigentlichen Anliegen abzulenken bzw. die Teilnehmer quasi zu kriminalisieren.) Offenbar fühlt sich der gemeine Salonliberale durch die freitägliche Beschulungsverweigerung durchaus in seiner bequemlichen Friedhofs- und Sonntagsruhe gestört. Wie anders ist es sonst zu verstehen, daß man sich nicht einmal entblödet, der sich allenfalls moderat empörenden Schülerschaft die Kompetenz der Mitsprache abzusprechen, da sie komplexe Sachverhalte angeblich nicht durchschauen könne. (Die aktuelle Korrektur jenes Verdikts wirkt jedenfalls etwas bemüht und überzeugt daher nicht recht.) Immerhin momentan offenbar das Alleinstellungsmerkmal der Liberalen – und auf einer höheren Ebene wiederum aufmerksamkeitsfördernd, weil polarisierend. Denn das ansonsten hier gerade vorherrschende altväterliche Verständnis ist auch nchts anderes denn eine andere Form von Ignoranz. Gleichwohl eine Diskursverweigerung aus wohlverstandenem Eigeninteresse, sich selbst, sein Gebaren und seinen Lebensstil nicht hinterfragen zu müssen, eine leicht zu durchschauende Ignoranz, nur um nicht eingestehen zu müssen, daß es mit dem wohlfeilen Gerede von Generationengerechtigkeit nicht so weit her ist, solange es sich um mehr dreht als um die gut gefüllte eigene Geldbörse oder den eigenen großzügigen Lebensstil. Es scheint eben nicht jedem vergönnt zu sein, liebe Granden der Effdepe, die Zeichen der Zeit zu erkennen und über den eigenen pekuniären Horizont hinauszublicken.

What time is it?

Ist es wirklich schon so spät?

Ist es fünf vor zwölf oder nicht doch eher schon fünf nach?

 

 

Wir stehen erst relativ am Beginn von kontinentalen Verteilungskämpfen angesichts von Gelben Westen, Bürgerkriegen oder Hunger- & Natur-Katastrophen und Raubbau – zugunsten unseres Wegwerf-Konsums – rund um den Globus. Wir vermüllen und verschmutzen und verböllern, was wir nur können. (Und Nationalismus und Popelismus feiern allerorten fröhlich Urständ, derweil Europa auseinanderdriftet.) Und das alles vor dem Hintergrund des sich immer deutlicher bemerkbar machenden Klimawandels. Der freilich als kaum mehr zu beherrschende Hypothek künftigen Generationen aufgebürdet wird, da wir uns lieber in bequemlicher Ignoranz üben. Doch wie sollen nachgeborene Geschlechter diese Kraftanstrengung einer radikalen Änderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise durch harte Einschnitte vollbringen und gleichzeitig den Zusammenhalt, nicht nur nach innen, sondern über Grenzen hinweg, sichern und stärken, wenn, was ihnen (medial) vorgelebt wird, bereits jetzt nichts anderes als Vergnügungsmaximierung, Egoismus und Rücksichtslosigkeit, Hass und das Recht des Stärkeren ist? Eine gründliche Rehumanisierung tut not …

Hugh, Gutmensch Kassandra hat gesprochen. Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders. Und wir besinnen uns und gehen unvoreingenommen aufeinander zu und beginnen neu von ganz unten – Willkommen 2019!

Citius, altius, fortius …

Der Weltklimarat, welcher im Übrigen keine eigene Forschung betreibt, sondern Meta-Analysen anstellt, warnte vorgestern eindringlich davor, die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C sei nicht länger mehr zu erreichen, wenn man nicht endlich entschlossen gegensteuere, den CO2-Ausstoß drastisch reduziere und wir unser Wirtschaften, Haushalten und unsere grenzenlose Mobilität durchgreifend ändern. Zumal diese Bedrohung spätestens seit Anfang der 1970er Jahre bekannt ist.

Seitdem ich auf dem Lande lebe, war die begehbare Sandzone meines Favoritstrands noch nie so ausgedehnt wie dieser Tage (,auch wenn der Wasserstand im Herbst natürlich niedriger ist als im Frühling,) – der quasi seit April / Mai herrschenden Dürre sei’s gedankt.

Laut der einleitenden Worte zum Fahrbericht einer renommierten, überregionalen Tageszeitung über die neue vierte Generation des BMW X5 – die gesamte X-Baureihe von Möchtegern- und Salon-Geländewagen ist eine wahre Goldgrube für den bayerischen Premium-Autobauer – sei das aktuelle Modell im Umfang erneut gewachsen und natürlich auch mit kräftigeren Motoren ausgestattet.

Photographie © LuxOr

(K)eine Atempause?

So, also eine Billion oder Tausend Milliarden. Eine Zahl mit zwölf Nullen. Eigentlich unvorstellbar. Aber genau diese immense Menge an Bäumen möchte Felix Finkbeiner, ein gerademal zwanzigjähriger Student der „Internationalen Beziehungen“ aus Tutzing in Oberbayern, weltweit pflanzen lassen. Das entspreche schätzungsweise einem Drittel des gesamten Weltbaumbestandes oder der Waldfläche Russlands in toto. Alles zur Rettung des Weltklimas, da Pflanzen bekanntlich das schädliche CO2 binden und in Sauerstoff umwandeln. (Und darüber hinaus auch der Bodenerosion und also der fortgesetzten Verwüstung entgegenwirken.) Angefangen hatte er im zarten Alter eines Viertklässlers von zehn Jahren noch mit einer Million. Inzwischen seien rund um den Globus aber bereits Fünfzehn Milliarden Bäume in 193 Ländern auf Spendenbasis gepflanzt worden, teils auf Staatsland, weitab von Siedlungen. Und offenbar ohne landwirtschaftlich nutzbare Flächen für die immer noch stetig wachsende Weltbevölkerung einzuschränken.

Dies Unternehmen, diese individuelle Initiative ist aller Ehren wert, Nichts soll unversucht bleiben, den Klimawandel irgendwie einzudämmen. Zumal so viele Grünflächen, so viele Bäume Neubauten, der allgegenwärtigen Zubetonierung nicht nur in Stadtgebieten zum Opfer fallen. Ohne daß freilich andernorts für eigentlich verordnete Ersatzpflanzungen gesorgt würde. Wie beispielsweise kürzlich erst in meiner Heimatstadt Freiburg auf Pressenachfrage behördlich kleinlaut eingestanden werden mußte. Ein jeder kann sich zudem beteiligen. Und wie es scheint, ist dem ambitionierten Projekt auch durchaus Erfolg beschieden, wie eine gerade erfolgte internationale Konferenz in Monaco unter Beteiligung von Vertretern aus Wirtschaft und Politik dank weiterer Spendenzusagen bestätigt. Auch die UNO ist schließlich mit im Bunde.

Gleichwohl drängen sich mir dabei zwei Fragen auf. Wie will man, da die massiven Aufforstungen vor allem in armen tropischen Gebieten – des schnelleren Wachstums wegen – erfolgen sollen, eben jene neuen Waldflächen ganz praktisch vor Spekulation, Abholzung und Verbrennung schützen? Und, gesetzt den Fall, diese Neupflanzungen hätten dennoch dauerhaft Bestand, ist es da ganz grundsätzlich nicht doch auch ein probates Instrument, unsere auf Raubbau und Verschmutzung, auf grenzenlose Mobilität und bedenkenlose Wegwerfmentalität basierende Wirtschafts- und Lebensweise unhinterfragt auf Dauer zu stellen? Weshalb sollten sich sonst auch Vertreter aus der Wirtschaft beteiligen …

 

„Dämlichkeit kennt keine Grenzen“ oder eine Drehung um 180° …

Wer sich früher einmal als konservativ bezeichnete, der stellte sich entschieden gegen Auswüchse des reinen Kapitalismus wider Mensch und Umwelt und trat dementsprechend für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur oder, von einer christlichen Warte aus, der Schöpfung ein, ihrer Schonung und Bewahrung. Aber die Zeiten einer gesunden Fortschrittsskepsis konservativer Prägung als Korrektiv zu allzu fortschrittsgläubigen Liberalismus und Sozialismus scheinen lange passé zu sein. Nicht allein in den USA entpuppen sich Konservative heutzutage als Agenten eines ungezügelten Raubbau-Kapitalismus. Nein, auch in unserer BRD entblöden sich selbsternannte CDU-Konservative eines „Berliner Kreises“ nun offenbar nicht, die Einhegung des Klimawandels anzuzweifeln.  Das Klimaschutzabkommen von Paris, Klimaforschung als solche denunzieren sie als „moralische Erpressung“, dabei unterschlagend, daß Ihnen selbst jegliche Moral abgeht, außer vielleicht der, einzig und allein an der Sicherung des persönlichen Wohlstands interessiert zu sein. Das Wohlergehen späterer Generationen bzw. das Schicksal der Menschen in der unterprivilegierten, von Naturkatastrophen umso mehr heimgesuchten bzw. bedrohten südlichen Hemisphäre (man denke bspw. an die Insel-Staaten der Weltmeere) fällt dabei gänzlich aus dem Blick. Alles wird der uneingeschränkten, rücksichtslosen Beibehaltung, vulgo „Konservierung“,  der eigenen alles und alle vernutzenden Lebensform untergeordnet. Ein paar hungrige Mäuler weniger irgendwo „am Arsch der Welt“ sind hierbei durchaus zu verschmerzen, wenn nur dem absoluten eigenen Ziele dienlich. Anpassung an die sich zweifellos einstellenden klimatisch-geographischen Veränderungen, also das Abschmelzen der Polkappen, wird auch hier als notwendig erachtet – indem man kurzerhand eben das Nordmeer leerfischt und die arktischen Rohstoffe dem Raubbau preisgibt. Und solch ein Gebaren gar noch als Chance verkauft, welche die allfälligen Schäden an der Natur bei weitem aufwiege. Das mag kurzfristig vielleicht eine Stabilisierung des westlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells bedeuten (auf Kosten der üblichen Verlierer freilich). Langfristig führt es jedoch zu dessen Zusammenbruch, solange man nicht an der Wurzel allen Übels ansetzt, einer künstlich angeregten und auf Neid und Bequemlichkeit basierenden, einzig materiellen Bedürfnisbefriedigung als eigentliches Opium fürs Volk.  Not tut allerdings ein grundlegender Wandel der Einstellung hin zu einer Art „bescheiden ist geil“. Doch wenn christ-konservativ zu sein künftig mithin gleichzusetzen ist mit einem blinden darwinistischen Manchester-Kapitalismus klassischer Prägung, dann Gnade uns Gott!