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Herbstgelichter Zwo

Anders als noch bei meinem ersten Herbstgelichter handelte es sich hierbei nun tatsächlich um eine lange Wanderung, noch dazu absolviert in rekordverdächtigem Tempo. Denn vor drei Wochen noch bestimmte lange Zeit eine Zweijährige unser Vorankommen. So daß es damals eben bei einem (ausgedehnten) Spaziergängle blieb. Angereichert immerhin – und begleitet von kindlichen Freudenjuchzgern, oder entfuhren die sonoren Urlaute etwa vielmehr der rauhen Kehle des Schreibers dieser Zeilen? 🙂 – mit Steinchenweitwurf und einer ausgelassenen Schaukeleinlage am Badesee. Durchaus existente photographische Evidenz dieser lustvollen Aktivitäten muß hier freilich hinter dem berechtigten Anliegen des Personenschutzes, des Rechts auf Anonymität Dritter, zurückstehen. Der Verfasser hofft diesbezüglich auf das Verständnis der geneigten Leserschaft.

Heuer marschierten dagegen zwei wackere Wandergesellen auf einer spontan ausgewählten Tour vom großen See aus ins Hinterland. Anfangs gar noch mit kurzen Ärmeln, denn für End-Oktober war es doch recht mild. Auch wenn wir beide offensichtlich die einzigen waren, welche derlei Hitzewallungen empfanden. Dann freilich im Wald, da wurds auch uns zusehends kalt.

Strammen Schrittes waren die beide Bürschle da auf jeden Fall unterwegs, insbesondere zum Ende hin. Galt es doch, noch ehe uns die einbrechende Dunkelheit vollends zu umschlingen drohte, dem wild-düsteren Tann gerade noch zu entfleuchen und zumindest die Ränder menschlicher Zivilisation und also den Bereich künstlicher Beleuchtung wiederzugewinnen. Hatten wir doch keiner von beiden eine Hirnbirn im ansonsten gut sortierten Rucksacke deponiert. Daß wir überhaupt in derlei Kalamitäten geraten konnten, war dabei wohl auch dem Umstande geschuldet, daß ein gewisser Herr LuxOr, vielleicht dem ein oder der anderen FollowerIn durchaus bekannt, meinte, ausgiebigst von seiner ordentlichen smarten Kamera Gebrauch machen zu müssen. Fjudscha, sein getreuer Begleiter, derlei Eskapaden durchaus gewohnt, gleichzeitig aber auch ihr freudiger Nutznießer, tastete sich derweil wagemutig, doch immer in Sichweite bleibend, denn man weiß ja nie, ins Dickicht des finsteren Gehölzes vor. Gleichwohl gingen wir ein ums andre Mal fehl, um nicht zu sagen verloren, denn die Wegbeschreibung war alles andre denn eine Offenbarung. Und natürlich kein Netz, nirgends.

Doch mit der Sicherheit des sensiblen Näschens eines Rauhaardackels erspürten wir schließlich doch noch den großen See, welcher, bereits malerisch zur Nacht gebettet, irgendwo vor uns liegen mußte. Und wir vernahmen zudem die anschwellende Geräuschkulisse zuerst der Kreis-, dann der Bundesstraße, terra cognita also, welche wir ungezählte Male schon selbst befahren hatten. Unsere Schritte wurden wieder sicherer und unsere Gemüter hellten sich merklich auf. Denn auch wenn wir es uns gegenseitig nicht anmerken ließen, war die Erleichterung, wie wir wenig später die ersten bekannten Behausungen passiert hatten, doch groß, daß wir nicht elendiglich und auf Nimmerwiedersehen verschütt gegangen waren. Mein altes, indes nicht schwaches Wägelchen, Knudi geheißen, blinkte daher auch erleichtert und hocherfreut zweimal auf, als er unser wohlbehalten wieder gewahr wurde.

Hochzufrieden mit uns und der Welt (na, mit der wohl eher doch nicht ganz so …) und im Hochgefühl unserer wanderlustigen Großtat, allen Gefahren der Wildnis auf unserem Gewaltmarsch getrotzt zu haben, fuhren wir sodann in den noch frühen Abend hinein und über Supermarkt und Straßen-Döner unseres Vertrauens an unseren Augsgangspunkt: home, sweet home zurück, wo wir den Tag bei Salzgebäck und Bier, später auch noch einer Bodendecke Whiskey – denn ich mußt ja Knudi noch halbwegs sicher in sein Garagenheim 30 min entfernt überführen können – und ner Kanne Pfefferminztee gemütlich über Männergesprächen und nostalgischen Playlists ausklingen ließen …

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PS: Ein Rekord im Herbst entstand übrigens ebenfalls bei dieser Gelegenheit.

 

Photographie © LuxOr

 

Übergänge …

Ja, so schnell kann’s dann manchmal gehen: tags zuvor nochmals lustvoll durchs Laub geraschelt, durfte ich Sonntag dann doch den ersten Schnee begrüßen. Nach diesem doch denkwürdig eintönigen – Hach, schon wieder bloß Sonne! – und noch dazu allzu regenarmen Sommer rechnete ich für den Winter nicht wirklich mit einer dieser Jahreszeit eigentlich angemessenen Kühle (mit der es zu Weihnachten allerdings offenbar schon wieder passé sein soll, schnüff!). Zumal die Niederschlagsmenge übern Herbst auch nicht wesentlich zunahm. Umso erfreuter war ich natürlich, als ich Sonntagmorgen den Rollladen hochzog und mir eine dichte Schneedecke entgegenstrahlte. Die Verzückung ging gar so weit, daß ich meinen ursprünglichen Plan, den Oskar K. auf einem Museumsplausch in Züri näher kennenzulernen, kurzerhand über den Haufen warf und auf den Februar verlegte. Und all das bloß, um genüßlich und andächtig über den zart gepuderten weißen Teppich der Natur zu knirschen. Stromerte denn auch ganze drei Stunden durch heimischen Wald und Flur, immer wieder aufs Neue ergriffen innehaltend vor der winterlichen Schönheit (unbewegtes Bildmaterial folgt jedenfalls ein anderes Mal).

 

Um ehrlich zu sein, Herbst und Winter sind mir die liebsten Jahreszeiten, vielleicht auch, weil ich ein Dezember-Kind bin. Frühling und Sommer haben durchaus ihren Reiz, die Bäume schlagen aus, man reckt und streckt sich, man hält sich wieder länger draußen auf, man lustwandelt, man flügelt aus, man wandert Rad, man schwimmt und was weiß ich nicht noch alles … Gleichwohl ist mir das Sommerhalbjahr aufs Ganze gesehen schlichtweg zu satt, zu intensiv, zu umtriebig. Unter der zweiten Jahreshälfte ist stattdessen alles gedimmt, das Licht wird weicher (so es der Nebel nicht umstandslos einfach schluckt, aber selbst das kann seinen Reiz haben, variatio delectat eben!), die Natur – und mit ihr bisweilen auch der Mensch – kommen zur Ruhe, die früher einsetzende Dunkelheit tut das Ihrige dazu, leise rieselt dann der Schnee und still und starr liegt der See … (Ausnahmen bestätigen freilich die Regel, über die notorischen Auswüchse über Sylvester und Fastnacht wollen wir hier aber kein weiteres Wort verlieren.) Kann allerdings, wer sich (nicht erst) nach dem ersten zarten Schneefall schon wieder nach der lichten Ausgelassenheit des Sommers sehnt, überhaupt zufrieden und achtsam im Hier & Jetzt leben? Simpel ist daher noch immer die Wahrheit, daß nur, wer Dunkelheit, Melancholie, ja mitunter auch Schmerz ausdrücklich zu akzeptieren und respektieren vermag, sich tatsächlich an der Rückkehr von Helle und Wärme recht erfreuen kann. Ich arbeite zumindest daran …

Bewegte Bilder © LuxOr

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Anmerkung in eigener Sache:

Je nach Zählweise handelt es sich bei dem vorliegenden Text um meinen neunundneunzigsten Beitrag unter LuxOrs. Nach verhaltenen, akademisch veranlaßten Anfängen im Jahre zehn nach der zweiten Jahrtausendwende und eher bescheiden-halbherzigen Wiederbelebungsversuchen (und noch unter anderem Namen) vor nunmehr auch schon wieder zwei, drei Jahren, schreibe ich seit mittlerweile 1 ¾ Jahren nun halbwegs regelmäßig (nicht nur) gut-wut-bürgerlich und neuerdings auch photo-romantisch. Gedankt sei an dieser Stelle – neben der geneigten Leserschaft – daher Dario schrittWeise, der mich letztlich dazu anregte, meinen wiederholten Kultur-Kritikastereien nach Gutmenschen-Art, geistig-humoristischen Pseudo-Höhenflügen und visuellen Machwerken bloglich freien Lauf zu lassen. Auch wenn er dann nicht immer d’accord ging mit dem ein oder anderen Resultat bzw. Kommentar …