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Welche Glaubwürdigkeit und warum – quasi ein offener Brief

Liebe Bundes- (und Landes-)CDU!

Also, langsam aber sicher gehst Du mir gehörig auf den Keks mit Deinem endlosen kopf- und führungslosen Rumgeeiere um die Landtags- und Ministerpräsident-Wahl in Thüringen. Nun verwirft Dein jugendlicher Generalsekretär. P. Z., die gestrige Einigung der regionalen Spitzen-Gliederungen von  Linke, SPD, Grüne und CDU in Bausch und Bogen, sekundiert von irgendwelchen semi-prominenten Fraktions- oder Landesvorsitzenden oder Geschäftsführern irgendwelcher Länder. Aber was, bitteschön, ist denn dann die Alternative für Deutschlamd, äh Thüringen? Eine umgehende Neuwahl wird vor Ort kategorisch ausgeschlossen, verständlicherweise nach der Vorgeschichte und der zu erwartenden niederschmetternden Quittung hierfür, wenn auch sehr egoistisch. Das spricht allerdings auch nicht gerade für Deine eigene Durchsetzungsstärke. Sieht man einmal von den spezifisch von der Thüringer Verfassung gegebenen Vorraussetzungen hierfür ab – eventuell ist man für ein solches Vorhaben auch auf Stimmen aus der AfD angewiesen, welche sich also kurzerhand verweigern könnte – , ist der Zeitpunkt durch Deine neuerliche Volte, liebe Bundes-CDU, endgültig ungenutzt verstrichen.

Die andere Pseudo-Alternative, die mir in den Sinn kommt, nämlich einen eigenen Ministerpräsidenten-Kandidaten aufzustellen, ist angesichts der obwaltenden Gemengelage ein mehr als kühnes Unterfangen und dürfte in einem ähnlichen Fiasko enden wie am Fünten Februar, falls sich nicht doch noch Abgeordnete von SPD oder Grünen Deiner Vertreter vor Ort erbarmten – und sich die AfD heroisch enthielte. Der geeignete gesichtswahrende Zeitpunkt hierfür ist also auch verstrichen. Zumal die dortige CDU noch kopfloser dasteht, auch durch Dein eigenes Zutun. Das Experiment mit Christine Lieberknecht, immerhin eine Parteigenossin, scheiterte wiederum an dem Zaudern der Parteigranden vor Ort. Mag der Vorschlag von Bodo Ramelow denn  tatsächlich vergiftet gewesen sein, immerhin wäre nicht der Dir verhaßte Vorgenannte an der Spitze der wenn auch provisorischen Experten-Exekutive gestanden. Von pragmatischer Weitsicht zeugte also auch dies Gebaren jedenfalls nicht.

Und so mußt Du Dir, liebe Bundes-CDU, in der Tat die Frage stellen nach Deiner Glaubwürdigkeit, aber in einem ganz anderen Sinne als Du es meinst. Denn es könnte durchaus sein, daß Du neuerlich an Vertrauen und Zustimmung verlierst, aber weil Du seit dem Wahlabend vorigen Jahres ideologisch verbohrt bist durch diese schiefe kategorische beidseitige Ausschließeritis an der politischen Realität vor Ort vorbei und es Dir neuerdings absolut an pragmatischer Vernunft mangelt – ein simpler Blick auf die Arithmetik des Wahlergebnisses genügt um zu fragen, wo denn Deine staatspolitische Verantwortung geblieben ist – , dieses unwürdige bürgerliche Trauerspiel zu beenden. Stattdessen reitest Du Dich immer weiter in das Schlamassel hinein …

 

Die treibens mit jedem.

Politisch liberal heißt heutzutage, keine Moral oder Verantwortung zu kennen und entweder heulsusige Leichtmatrosen zu sein  (Wie erinnerlich: nach der Bundestagswahl 2017 und dem mutwilligen Platzenlassen der schwarz-grün-gelben Koalitionsverhandlungen zog sich der Herr Lindner beleidigt (und wenig überzeugend!) auf den Standpunkt zurück, nach dem Wiedereinzug in den Bundestag könne man nicht sogleich Regierungsverantwortung übernehmen: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Dies scheint heute, bei ungleich diffizilerer staatspolitischer Ausgangs- und Gemengelage, freilich kein Hinderungsgrund mehr für Frei-von-Skrupeln-Demokraten zu sein.) Oder aber mit jedem sich ins politische Bett zu legen. Thüringen, der neue alte „Mustergau“; mit persönlich gerade einmal läppischen fünf Prozent sich zum Ministerpräsidenten aufschwingen zu lassen, welch Demokratie-Verständnis. Rechtsextrem ist das neue Bürgerlich. Auf welch gefährliches Spiel läßt man sich da ein, in wessen Abhängigkeit begibt man sich denn da ( in die des Landesverbands einer Partei, der auf dem Radar des Verfassungsschutzes ist nämlich ..) ! Der Damm ist jedenfalls schneller gebrochen. Daher frisch auf nun, alle aufrechten HamburgerInnen, schlagt sie, die neuen National-Demokraten, und werft sie aus der Bürgerschaft!

Plakat auf einer spontanen Gegen-Demonstration in Leipzig heute Abend – Quelle: faz.net/dpa

PS, 06.02.2020: Nicht die NSDAP war die größte Gefahr für die Demokratie am Ende der Weimarer Republik, sondern Männer vom Schlage eines Hugenberg oder von Papen. Und im Übrigen haben auch die wenigen verbliebenen Liberalen im März 1933 geschlossen – wie auch das Zentrum – für das Ermächtigungsgesetz gestimmt, darunter Theodor Heuss und Reinhold Maier …

Alternative mit den Alternativen?

Wie der Schreiber dieser Zeilen am vergangenen Sonntag die Live-Übertragung aus dem ARD-Wahlstudio in Erfurt bis kurz nach der ersten Hochrechnung verfolgte  (hernach wechselte er zum Liveticker seiner Hauspostille über), war er doch etwas verwundert ob der beinah schon ignorant zu nennenden Nichtbeachtung einer rechnerisch sich durchaus anbietenden blau-schwarz-gelben Dreier-Koalition, welche er für gar nicht so abwegig hält, denn für ihn sind weder gewisse Kreise der CDU noch der Effdepe über alle Zweifel erhaben (daß ein solches Bündnis keineswegs wünschenswert ist, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt).

Wenn die CDU-Führung ein etwaiges Bündnis mit der Linken kategorisch ausschließen meint zu müssen, da der Partei sonst eine Zerreißprobe drohe, bedeutet das im Umkehrschluß dann unter Umständen nicht auch, daß die Berührungsängste mit der AfD plötzlich nicht mehr so  schwer wiegen? Wollte der Spitzenkandidat der CDU in Thüringen, Mike Mohring, anfangs noch aus reiner Verantwortung für das Land auf die Linke zugehen, scheint ihm nun in Berlin bedeutet worden zu sein, daß die Loyalität zur Partei, siehe oben, eben schwerer wiege (Bei einem Wähleranteil von 31% kann man, auch wenn dieses Resultat zu einem Gutteil den charismatisch-pragmatischen Landesvater-Qualitäten des Bodo Ramelow geschuldet sein mag, indes wohl nicht mehr von einer ausgesprochen linken Wählerschaft ausgehen. Die Linke scheint dorten vielmehr in der Mitte angekommen zu sein, vergleichbar eventuell den Grünen in Ba-Wü mit einem ähnlich sich gebenden Ministerpräsidenten).

Erweist sich aus dieser Perspektive also die AfD plötzlich als das kleinere Übel? Oder warum votiert sein Fraktionsvize bereits offen für einen „Bürgerblock“? Sehen nun manche Altvordere in der Union und deren junge Parteigänger etwa die Gelegenheit endlich gekommen, den vermeintlichen Linksruck der Partei von der ostdeutschen Provinz aus zu korrigieren? Lähmende Hysterie scheint momentan jedenfalls weiter um sich zu greifen und nervöse Selbstbespiegelung, länger schon bei der Sozialdemokratie, neuerdings also auch bei den Christdemokraten. Das Scharren und Murren bei manchen Herren ist deutlich zu vernehmen. Könnten angesichts dessen vielleicht manche lokale Parteistrategen nicht ihre Chance wittern, Entscheidungen der Berliner Parteizentrale schlichtweg zu ignorieren, um eigene Absprachen mit der AfD zu treffen? Früher oder später wird wohl jemand aus purem persönlichen Machtkalkül das Tabu brechen. Oder aber aus blanker Not, wenn schon die versammelten ehemals Bonner Parteien keine eigene Mehrheit mehr auf sich vereinen können, und damit gar hinter die bisherige rot-rot-grüne Koalition zurückfallen. Das aber verheißt nichts Gutes.

PS, 15.12.2019: Und neuerdings sind offenbar gar Schwarze Sonnen in Kreis-CDU-Kreisen (Anhalt-Bitterfeld, S-A) gesellschaftsfähig …