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Das altbewährte Muster der Ewiggestrigen

  • Von Markus Wehner, Berlin
  • Aktualisiert am

Das Auschwitz-Komitee Deutschland würde den Tag der Kapitulation der Wehrmacht gerne zum Feiertag machen. Alexander Gauland ist dagegen. In Berlin vergewaltigte Frauen sähen das anders als damalige KZ-Insassen, sagt er.

(…)

Die Aufrechnung des A. Gau-leiter-land

Nein, niemals und nirgendwo sind deutsche Polizisten und Soldaten vergewaltigend, brandschatzend und mordend eingefallen?

Unschuldige Opfer sind bloß auf deutscher Seite in den Jahren 1945 folgende zu beklagen?

Ein gesetzlicher Feiertag ist stets in einem national-chauvinistischen Sauf-Feier-Gelage-Taumel zu begehen?

Selbstkritsche Reflexion, feierliches Gedenken, andächtiges Innehalten etwa für eine absolute Niederlage, für einen Vogelschiss der deutschen Geschichte?

Der Achte Mai ist trotz allem, was insbesondere Frauen um diesen Tag herum zu erdulden hatten, der Tag der Befreiung. Und Gott sei Dank der Tag der absoluten Niederlage. Woran zu gedenken man niemals ruhen darf (zumal mit den letzten Zeitzeugen alsbald auch die Erfahrung und Erinnerung aus erster Hand ausstirbt). Punkt.

 

Über Zivilisation(en)

Waren die schon viel zu langen zwölf der phantasierten ewigen tausend Jahre denn tatsächlich ein „Zivilisationsbruch„(D. Diner)? Der Firniß der Zivilisation ist dünn. Wo steht denn geschrieben, daß Zivilisation, trotz des berühmten und viel-beschworenen „Zivilisationsprozesses“ (N. Elias), stets progressiv voranschreitet? Und dabei den Menschen zwangsläufig und irreversibel zu einem besseren, weil kooperativ-solidarischen, friedliebenden Wesen macht, der seine atavistischen Affekte unter Kontrolle hält? (Am Ende läuft es jedenfalls auf die Frage nach dem jeweiligen Menschenbild hinaus.) Ist der NS-Verfolgungswahn, der Holocaust nicht vielmehr Vollzug (ein radikaler allerdings) einer ab dem Ende des 18. Jahrhundert etwa ohnehin allerorten in Mode kommenden „Bio-Macht“ (M. Foucault) über das Leben? Ist Auschwitz nicht vielmehr die auf die Spitze getriebene technisch-funktionale Ratio, ein jeder Zivilisation ab einem bestimmten Grad notwendig eingeschrieben und also im Grunde jederzeit und überall wiederholbar? Nicht die Monstrosität unterscheidet also die NS-Verbrechen von ähnlichem Geschehen, von Gewaltexzessen insbesondere im 20. Jh., sondern „einzig“ ihre technische Perfektion. Aber das ist gerade das Signum unseres Zeitalters der Moderne.

 

PS; 11.05.2020: Und wer mag denn dieser Tage noch mit Fug und Recht behaupten, daß wir in einer Zeit der verfeinerten Sitten, in einer Zeit der allgemeinen Gesittung leben?