Archiv der Kategorie: Technik

Antike Technik, bildlich in Bewegung gesetzt …

Am Anfang war das Rad. Bis, der lieben Wiki zufolge, findige griechische Konstrukteure um das 4./3. Jahrhundert vor Christus auf die Idee kamen, zwei Räder mittels einer verlängerten Achse und Querplatten zu verbinden und von Wasser antreiben zu lassen. Die Antriebskraft des Wassers wurde also durch eine geeignete Apparatur nutzbar gemacht. Das Wasser- oder Mühlrad ward erfunden.

 

Es diente fortan zum Beispiel als Schöpfanlage zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen. Im Römischen Reich wurden Wasserräder alsbald auch zum Mahlen verwendet. Ihre Nutzung war dann bald so verbreitet, daß der römische Architekt und Ingenieur Vitruv in seinen De architectura libri decem genannten Überblickswerk deren Aufbau beschrieb. (ab ca. 33 v. Chr.) Um die Zeitenwende ist auch schon eine erste Anlage auf dem Gebiet des späteren Deutschlands, im Raum Stolberg bei Aachen, archäologisch bezeugt. Über Jahrhunderte hinweg waren dann Wasser(- & Wind)räder die primären Energieerzeuger. Bis die Wasserkraft ab Ende des 18. Jh. schließlich zunehmend von der Dampfmaschine abgelöst wurde.

 

Heutzutage kann man Wasserräder hierzulande, außer vielleicht noch vereinzelt in gewissen ländlich-agrarischen, wasserreichen Gegenden zur Stromerzeugung, allein im musealen Schaubetrieb in Aktion erleben. Ähnlich auch in Tengen. Die Ortsbezeichnung „Mühlbachschlucht“ verweist jedenfalls darauf, daß hier einstmals Mühlen ansässig waren. Doch das ist sicher lange her. Einzig eine Ruine ist hiervon erhalten geblieben. Und fungiert nun als Ausflugsziel mit großzügiger Sitzbank und Grillgelegenheit. Das Mühlrad jedoch dreht und klappert unermüdlich und unbeirrt um seiner selbst willen. Und zeugt in seiner genialen Einfachheit von einer frühen Entwicklungsstufe von Technik bzw. von der Erfindungsgabe früherer Geschlechter. Und fasziniert den überraschten Naturfreund, der interessiert passiert. Vorausgesetzt, der stete Strom Wassers versiegt nicht. Nach zwei Dürresommern hintereinander keine Selbstverständlichkeit mehr.

 

Die Wassermühle lebt darüber hinaus frelich noch in der populären Kultur fort; denn sie fand Eingang in das volktümliche Liedgut. Neben Es steht eine Mühle im Schwarzwalder Tal ist dabei insbesondere an Es klappert die Mühle am rauschen Bach zu denken. Hier wie dort wird an prominenter Stelle auf das charakteristische Geräusch verwiesen, das durch die Umdrehung der Achse entsteht, das motonone Klappern. Dies kann im Verbund mit dem steten Rieselrauschen des Wassers durchaus seine beruhigende Wirkung entfalten. Ein romantisch-wehmütiger Reflex also auf die hämmernd-knallende oder zischende Lärmkulisse der sich industrialisierenden Wirtschaft in der klassischen Moderne. Regressive Fluchten.

 

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach: klipp-klapp.

 

Photographie © LuxOr

PS, 30.06.2020: Wie wir aus gut unterrichteter Quelle erfahren haben, stand obiges Mühlrad vergangenen Sonntag, den 28.06., tatsächlich still. Wassermangel? Hat jemand etwa den Stöpsel gezogen? Dreht es etwa bloß nach Anmeldung unermüdlich seine runde Bahn? War das Wetter vor zwei Tagen zu trüb für eine Ausflügelei in Natur und Vergangenheit? Wie dem auch sei, WIR hatten vor einer Woche offenbar Glück gehabt und waren zur rechten Zeit am rechten Ort …

 

 

Im Land der Zurückgebliebenen …

oder Digitale Verlustzone: Wie Deutschland den Anschluß verlor.

Wahrlich, ich bin bekanntermaßen kein Freund der totalen Durchnetzung, auch wenn ich selbst ausgiebigst digital photographiere, kommuniziere und hier eben die geneigte Leserschaft beblogge; die Aussichten einer umfassenden Entgeistigung, physischen Atomisierung, lückenlosen Überwachung und polit-ökonomischen Manipulation sind mir nämlich nicht geheuer.

Gleichwohl mutet es wie eine Geschichte aus Pleiten, Pech und Pannen an, was die Dokumentation Digitale Verlustzone: Wie Deutschland den Anschluß verlor, welche vergangenen Montagabend in der ARD ausgestrahlt wurde, vor der interessierten Öffentlichkeit ausbreitete. Zuse, Nixdorf, die Telefunken-Maus, das mp3-Format des Fraunhofer-Instituts, eine deutsche Suchmaschine, der bereits Anfang der 1980er Jahre angedachte flächendeckende Ausbau mit Glasfaserkabel – vielversprechende Beispiele einheimischer Pioniertätigkeit, welche aber nicht zuletzt auch immer wieder an patent-bürokratischer Ignoranz oder ideologisch-politischer Prioritäten-Verschiebung scheiterte. So weit, so schlecht.

Als Exempel wie man es denn besser machen kann, wird dagegen Norwegen angeführt. Wo die entlegensten Inseln „zum Wohle“ des Tourismus und der Fisch-Industrie schon seit gefühlt ewigen Zeiten ohne Funkloch an das schnelle weltweite Netz angeschlossen sind. Auch Estland wird immer gerne als europäisches Muschderländle der Durch-Digitalisierung gepriesen. Also kleine und/oder reiche Staaten, die im Vergleich mit einem „Supertanker“ wie unsere BRD sich als schneller und wendiger erweisen.

Und auch ich selbst kann eine derartige Erfahrung beisteuern. Mitte der 1990er Jahre verbrachte ich ein Jahr in Linköping/Schweden zum akademischen Austausch. Im Mai/Juni 1996 hatte ich dorten dann meine erste Begegnung mit einem Phänomen, das sich Internet nannte. Von einem befreundeten Austausch-Studenten aus England angestoßen, verbrachte ich damals einige Zeit im Knutpunkt, einem eigens für die Internet-Kommunikation vorgehaltenen großen Raum, der sicherlich über dreißig, vierzig vollausgestattete Arbeitsplätze verfügte. Zu meiner Schande muß ich heute allerdings gestehen, daß ich damals doch noch recht grün hinter den Ohren war und mich also ziemlich planlos durch das Netz bewegte, welches zu dem Zeitpunkt freilich auch noch lange nicht so tief war wie heute. (Heute weiß ich in der Regel zwar schon, wohin ich will, gerate darob gleichwohl bisweilen leicht vom Hundertsten ins Tausendste.) Ich erinnere mich aber zumindest, daß ich aus irgendeinem mir heute schleierhaften Grunde einen Post beim ORF, den ich als Südwestdeutscher niemals zuvor gehört hatte, hinterließ. Der freilich im Nirgendwo verschwand, wie es zunächst schien. (Vielleicht lag es ja einzig und allein an der Langsamkeit des damailigen Netzes, das noch dazu gerade Mittagspause hielt, und der schieren Entfernung, vem vet.) Drum schrieb ich den Post nochmals. Und noch einmal. Am Schluß hatte ich mich dann tatsächlich mit fünf leicht variierten Einträgen verewigt. Wie hochnotpeinlich! Dennoch klopfte alsbald eine Österreicherin, die damals gerade in den USA weilte, bei mir an, und wir mailten dann einige Tage hin und her. (Der Browser damals hieß übrigens „Netscape“, der ehemalige Marktführer, welcher freilich in den Jahren darauf von dem Konkurrenzprodukt einer Firma namens „Microsoft“, welche ihren „Internet Explorer“ in ihr weitverbreitetes eigenes Betriebsprogramm integriert hatte, vollends vom Markt verdrängt wurde – aber das ist eine andere Geschichte.) Zu diesem Zeitpunkt, also während der Semesterferien, wurden auch kilometerweise Kabel in unserem Viertel verlegt, um die dortigen Studentenwohnheime an das Internet anzuschließen. Aber da, Ende Juni, verließ ich Linköping auch schon wieder gen meine alte Heimat und konnte also nicht mehr die unbestrittenen Vorzüge eines eigenen Anschlusses an die große weite virtuelle Welt genießen.

Wie ich dann an meine damalige alma mater zurückkehrte, wurde ich allerdings erstmal gründlich enttäuscht. Statt dem liebgewonnenen bequemen Knutpunkt erwarteten mich mickrige fünf Stehplätze im Foyer der damaligen UB, an denen man noch dazu nicht viel mehr denn Mails verschicken konnte. Und jedes Mal, wenn man gedachte, eine längere Nachricht aufzusetzen und zu verschicken, spürte man im Nacken den heißen Atem der ungeduldig Wartenden, die einem schließlich einen strafenden Blick zuwarfen, sobald man seinen Kurzroman abgeschlossen hatte und sich anschickte endlich zu gehen. Die Elternschaft hatte dann glücklicherweise ein Einsehen und versorgte die Nachkommenschaft mit einer modalen Verbindung. (Was waren das übrigens noch für spannende Zeiten des Verbindungsaufbaus: Einwahl- und Anklopfsignale, zackige Tonfolgen, Rauschen, wie wenn man etwas Maschinelles erst zum Leben erwecken mußte. Heutzutage ist das alles zu einem gänzlich aseptischen Akt verkommen: ein Doppel-Klick, ein Fingertipp. Ähnlich wie beispielsweise auch bei Lokomotiven, die heuer beinah unbemerkt einfach losfahren, während ihnen einstmals mit Klopfen und Stampfen erst Leben ins Gestänge fahren mußte. Eine Art Entlebendigung und Entseelung des Technischen.) Die heimischen Wohnheime schließlich wurden erst um die Zweitausender herum mit dem notwendigen Kabelgewirr versorgt. Keine Atempause also, Geschichte wird gemacht, es geht voran. Oder so ähnlich.

 

Und ein Epilog: Die Stunden unmittelbar vor Sendebeginn der erwähnten Reportage – es waren mindestens derer sieben – mußte der Tipper dieser Zeilen im Tal der Ahnungslosen verbringen, denn das ganze Viertel um ihn herum hatte den Totalausfall von Internet und Telephonie zu verkraften …

 

„Ich mag keine Technologien, …

… ich hasse sie.“ – „Warum?“ – Weil mit den Technologien die Gefühle verschwinden. Es ist, als hätten wir uns mit einer Krankheit angesteckt. Alles ist künstlich.“ (01:24:30ff).

Eine Uigurin aus dem Nordosten Chinas, die in einer sogenannten „Bildungsanstalt“ interniert war und nun in den USA lebt. Derlei Anstalten sind allem Anschein nach nichts anderes als Umerziehungslager zum Zwecke der kulturellen Auslöschung der Uiguren. Laut der Dokumentation setzen die Behörden zur lokalen Schikanierung und Unterdrückung der muslimischen turksprachigen Minderheit massiv auf künstliche Intelligenz. Wie ja auch das berühmt-berüchtigte Sozialkreditsystem, unter dem die chinesische Mehrheitsgesellschaft lebt, auf deren Grundlage funktioniert.

Niemand, der hier immer wieder laut und vernehmlich schreit, Deutschland beziehungsweise Europa seien im Kampf um das aktuell „heißeste Ding“ KI bedenklich ins Hintertreffen geraten und müßten nun dringend und mit massiver staatlicher Aufrüstung aufholen, kann nachher mit Unschuldsmiene verkünden, er habe doch nicht wissen können, welche Büchse der Pandora er da öffnete. Die Freiheit der verschwindend wenigen nämlich, sich mit dem Geschäft mit der Angst ein goldenes Näschen zu verdienen. Derweil der gemeine Mensch wegrationalisiert, perlustriert, korrumpiert, gegängelt, ausgerichtet, ruhig gestellt, schikaniert, unterdrückt, ausgelöscht wird … brave new world. Aber mit Terminator: Hasta la vista, baby!

 

Dokumentarfilm Überwacht: Sieben Milliarden im Visier (F 2019)

Arte, Dienstag, 21.04.2020, 20:15h

 

Auch sehr verstörend, dabei stärker die Verantwortung der Wissenschaft betonend,

ist der Dokumentarfilm iHuman (N 2019)

Arte, Dienstag, 21.04.2020, 21:45h

Ein klarer Fall für die digitale Heckscheibenkamera, aber ... Photographie © LuxOr

Big Brassa is wotsching ju oder die Spiegel-Kamera sieht Dich nasepopeln.

Was uns mal wieder als das ultimative Feature verkauft wird – gegen einen entsprechend hohen Obolus versteht sich -, welches die Sicherheit des gemeinen Autofahrers ungemein erhöhe: Digitale Kameras anstelle der klassischen Außen- und Innenspiegel. Zugegeben, bei eingeschränkter Sicht im Fond durch hünenhafte Zeitgenossen oder einen allzu vollgepackten Kofferraum kann ein solches kameragestütztes System sicherlich eine große Hilfe sein. Ebenso beim Rechtsabbiegen: wer befürchtete da nicht schon einmal, einen urplötzlich im toten Winkel auftauchenden Radfahrer unter die Räder zu bekommen?

Aber: Ist ein dynamischer dreigeteilter Innenspiegel nicht eher ein Unsicherheitsfaktor durch ablenkende Reizüberflutung? Was mich jedoch vor allem nachdenklich stimmt: Was gibt uns denn die Gewähr, daß hier nicht gleichzeitig auch illegalerweise Informationen und bewegte Bilder des Innenraumes abgeschöpft werden können? In Verbindung mit den Infotainment-Systemen, welche sich mittlerweile beinah zu einem absoluten Verkaufsargument zu entwickeln scheinen – gibt es überhaupt noch (Mittelklasse-)Neuwagen ohne, was wird hier wo gespeichert, kann man diese Systeme auch komplett stilllegen? –, ergäbe das eine lückenlose Überwachung unserer Bewegung in Raum und Zeit, audio-visuell und in Echtzeit. Das mag Zukunftsmusik sein, Paranoia gar, nur: Wurde nicht beispielsweise auch schon jemand dafür abgestraft, daß sein digitaler Sprachassistent sensible private Informationen abgegriffen hatte?

 

Ein klarer Fall für die Heckscheibenkamera, aber …

Photographie © LuxOr