Archiv der Kategorie: Justiz

Gewitztes Rindviech …

oder die Luxus-Probleme eines Luxuswagensortimenters

Irgendwie doch kaum zu glauben, aber wahr, die Provinz-Posse um Kuhglockengebimmel geht in die soundsovielte Runde, und das nun schon seit geschlagenen fünf Jahren: Simpel aller Länder, vereinigt Euch! Gestern stand nun gar ein Ortstermin an:

Kuhglocken-Streit: Richter reisen zur Hörprobe an

Streit um Lärm und Gülle : Wenn Richter Kuhglocken lauschen

Seit fast fünf Jahren streiten ein Ehepaar und eine Bäuerin um das Geläut von Kuhglocken. Die Richter sind nun zur Hörprobe angereist.

Die Bimmelplage sollte nun also einmal hochoffiziell geprüft werden. Doch das Rindvieh, gar nicht blöde, dachte offenbar gar nicht daran, ausgelassen hin und her zu bimmeln, sondern rührte sich anscheinend gar nicht vom Fleck, alldieweil es sich in guter Hoffnung befindet.

Dem Tipper dieser Zeilen scheint es jedenfalls schleierhaft, wie man wegen eines gemütlichen Gebimmels, das zumal über das Jahr verteilt bloß während zehn Wochen ertönt, depressive Verstimmungen entwicklen kann. Jeder lärmgeplagte und leidgeprüfte Anrainer einer Flughafen-Landebahn, Autobahn oder sonst einer hochfrequentierten Straße, einer Güterbahntrasse oder einer spaßgesellschaftlichen Partymeile würde sicherlich umgehend mit dem klagewütigen Großkopferten tauschen wollen. Allenfalls die Penetranz der ausgebrachten Gülle kann mann gelten lassen. Summa summarum ist freilich festzuhalten, daß hier über Jahre hinweg Gerichtskapazitäten für Nichtigkeiten gebunden werden und also anderweitig fehlen – ganz zu schweigen von den Kosten -, zumal Kläger und Beklagte sich längst schon auf einen Vergleich geeinigt hatten. Ein klarer Fall also für den bayrischen Komödienstadel. Gerhard Polt, übernehmen Sie!

 

 

 

Wenn eine naive Justiz das Geschäft von Rechtsextremen betreibt …

Heute in der Allgemeinen Zeitung für Deutschland zu lesen:

„Wahlplakate der NPD mit dem Aufdruck „Migration tötet“, die die rechtsextreme Partei während des Europawahlkampfes verwendet hatte, erfüllen nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen (Az.: 4 K 2279/19.GI) hervor, das bereits Anfang August erging und über welches das Redaktionsnetzwerk Deutschland und das Rechtsmagazin „Legal Tribut Online“ am Samstag berichteten.

„Nach vorstehenden Ausführungen ist der Wortlaut des inkriminierten Wahlplakats ‚Migration tötet‘ nicht als volksverhetzend zu qualifizieren, sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten“, heißt es in dem Beschluss. Zur Begründung führt der verantwortliche Richter den Verlauf von Wanderungsbewegungen aus der Zeit von 3000 vor Christi Geburt bis in die Gegenwart ins Feld. Zudem verweist er auf Zahlen, die für Deutschland belegen sollen, dass es durch Zuwanderer zu mehr Sexual- und Tötungsdelikten gekommen sei.

Einen besonderen Einfluss weist er den Folgen der Flüchtlingskrise von 2014 an zu. Sie habe die Gesellschaft verändert, zum Tode von Menschen geführt und könne langfristig das Ende der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland nach sich ziehen.

Der NPD dürfe es daher nicht verwehrt werden, „mit den Plakaten auf möglicherweise in Deutschland herrschende Missstände hinzuweisen und für ihre Ziele zu werben“, sagte der Richter, der damit zugleich auf den Auslöser der Klage zurückkam. Vor der Europawahl waren in der hessischen Gemeinde Ranstadt (Wetteraukreis) im Mai dieses Jahres Plakate der rechtsextremen Partei entfernt worden. Bürgermeisterin Cäcillia Reichert (SPD) rechtfertigte die Aktion seinerzeit mit dem Hinweis darauf, dass die Plakate Angst vor Ausländern schüre. Zudem werde die Menschenwürde von Zuwanderern in Deutschland verletzt, indem sie als potentielle Mörder stigmatisiert würden.“

Formallogisch betrachtet, mag das teils in der Tat zutreffen. Aber diesem Slogan ist ganz offensichtlich eine gewissse Doppeldeutigkeit in der Aussage eigen. Und dieser Subtext trägt eine menschenverachtende rechtsextreme Botschaft in die Gesellschaft hinein. Wie kann man also derart naiv argumentieren und damit das Geschäft von Rechtsextremen, die sich darob wohl genüßlich ins Fäustchen lachen und sich artig bedanken, betreiben, als ob es keine Normen hinter dem Recht gebe? Und wieso existiert denn überhaupt ein Paragraph gegen Volksverhetzung, wenn die Hürden hierfür derart hoch sind?

Des Rätsels Lösung: Der betreffende Richter am Verwaltungsgericht Gießen ist diesbezüglich offenbar kein Unbekannter und also leider keineswegs naiv zu nennen (PS, 02.12.2019).

PPS, 05.12.2019, nicht nur der Vollständigkeit halber: Der betreffende Richter teilt sich der dpa mit und plädiert auf Fehlinterpretation. Dabei bemerkt er aber bemerkenswert selbstkritisch:

„Als Richter muss man sich aber auch Kritik gefallen lassen und auch als Anlass nehmen, eigene Verhaltensweisen zu bedenken und gegebenenfalls künftig anders und unmissverständlicher zu formulieren.“

Eine neue Folge unserer beliebten Serie „dämliche Justiz“

Heute:  u. a. Oury Jalloh

Die Frage steht im Raume, ob Oury Jalloh damals vor über zwölf Jahren im Gewahrsam einer Dessauer Polizei-Dienststelle, an Händen und Füßen gefesselt und verbrannt, eventuell bereits vor Ausbruch des Feuers tot war, d. h. ermordet wurde. Wenn auch nur der leiseste begründete Verdacht besteht, wie die jetzt veröffentlichten Gutachten nahelegen, dann ist es gefälligst eines Rechtstaates Pflicht und Schuldigkeit, dem nachzugehen und möglichst lückenlos aufzuklären. Gerade wenn es sich um einen Asylbewerber aus Sierra Leone handelt, dessen Hinterbliebene im Gegensatz zu wahrscheinlich solventeren Europäern wohl kaum den notwendigen gesellschaftlich-politischen Druck aufzubauen vermögen. Da braucht sich eine doch etwas zögerliche leitende Oberstaatsanwältin auch nicht lautstark über die offenbar illegale Publikation der fraglichen Gutachten zu echauffieren, nur weil diese sie womöglich aus ihrer Geschäftsroutine reißt und sie zu einer öffentlichen Reaktion zwingt. Da muß mann wie frau sich eben mal aus ihrer stromlinien-karriere-orientierten Bequemlichkeit aufraffen und – einem Stoß-Stürmer im Fußball gleich – dort hingehen, wo es weh tut, und auch mal in ein Wespennest stechen, auch wenn das bedeutet, den eigenen (oder eben einen benachbarten) Justizbetrieb gehörig aufzumischen, was zugegeben intern nicht gerade viel Lorbeer verspricht. Oder sind sie in Halle etwa stramm deutsch-national? Die Nähe zu Sachsen wäre ja schon mal gegeben …

Postsciptum 07.12.2017:

Nachdem die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen im Oktober eingestellt hatte, betraut nun die Justizministerin von S-A, Anne-Marie Keding (CDU), welche darob von Teilen der Opposition unter Druck geraten war, die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg mit der weiteren Prüfung des Falles.

Fall zwei:

Kuwait Airways darf laut eines Entscheids des Landgerichts Frankfurt einen israelischen Staatsbürger, der von Frankfurt aus via Kuwait gen Bangkok fliegen wollte, als Passagier abweisen aufgrund eines Gesetzes des Golfstaates von 1964, welches „Vereinbarungen mit israelischen Staatsangehörigen verbietet“. Auch eine Entschädigung wird im weiteren Gang abgelehnt mit der irgendwie seltsam anmutenden Begründung, „das Antidiskriminierungsgesetz gelte nur bei einer Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder der Religion, nicht aber wegen einer bestimmten Staatsangehörigkeit.“ Auch wenn „Rasse“ oder „ethnische Herkunft“ als Ursache einer Diskriminierung in diesem Falle tatsächlich nicht greifen –  bei „Religion“ habe ich da indes so meine Zweifel -, wurde der Kläger doch offenbar Opfer einer (dritt-staatlich sanktionierten) Diskriminierung gerade aufgrund seiner Staatsangehörigkeit. Gleichwohl könne man es dem Unternehmen schlichtweg nicht zumuten, „einen Vertrag zu erfüllen, wenn (es) damit einen Gesetzesverstoß nach den Regeln (seines) eigenen Staates begehe und (es) deswegen damit rechnen müsse, dort bestraft zu werden“, wie es in der Begründung heißt. Ja, wieso eigentlich nicht, so mag man unweigerlich fragen, zumal die Fluggesellschaft sich eben nicht in Privatbesitz befindet, sondern in öffentlicher Hand. Somit handelt es sich hierbei meiner Meinung nach im schlimmsten Falle um juristische Haarspalterei mit leicht antisemitischem Unterton, gepaart mit einer allzu offensichtlichen indifferenten Servilität. Denn ein anderslautendes Votum könnte ja vielleicht und unter Umständen und eventuell zu diplomatischen Verwicklungen, oder, schlimmer noch, zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Der Effekt ähnelt daher eher einem Verhalten, so als ob sich in den 1930er und 40er Jahren alle Staaten der Welt die antisemitische Gesetzgebung des III. Reichs zu eigen gemacht hätten. Im andern Falle schließlich taugt besagtes Gesetz schlichtweg nichts, da es einen eklatanten Konstruktionsfehler aufweist.

To be continued, I’m afraid …

Simpel aller Länder, vereinigt Euch!

Lebt man auf dem Lande, also nicht in irgendwelchen seelenlosen Schlafdörfern aus der Retorte, sondern in alten agrarisch geprägten Orten, soll es schon mal vorkommen, daß sich Kühe in der Nachbarschaft finden. Bisweilen mögen diese dann auch Glocken tragen, deren Klang zugegeben schon durchdringend schallen kann – insbesondere wenn Menschen sie schellen. Nichtsdestotrotz wirkt dies Gebimmel in seiner beständigen Monotonie doch eher beruhigend-kontemplativ. Dennoch scheint es Zeitgenossen zu geben, die sich nicht entblöden, dagegen gerichtlich vorzugehen. Und die Justiz, nicht minder dämlich, nimmt diese Beschwerde an bzw. gibt dem Beschwerdeführer auch noch Recht, wie eben erst in Oberbayern geschehen: Gericht verbietet Kuhglocken.

Nun kann man das Landleben vielleicht nicht mit dem nächtlichen Treiben im Zentrum einer deutschen Großstadt vergleichen, wo der Schreiber dieser Zeilen aufwuchs und seine Familie immer noch lebt. Gleichwohl nimmt es Wunder, daß sich die Ordnungskräfte hier vornehm zurückhalten, Anzeigen gegen Lokale wegen mangelnden öffentlichen Interesses nicht zur Verfolgung gelangen, auch wenn diese Lokalitäten ihre Ausschankzeiten draußen eigenmächtig einfach weiter ausdehnen und die Nachbarschaft auf engstem Raum bis eins, wochenends bis mindestens zwei Uhr nachts bei geöffneten Türen und Fenstern umpfzg-mäßig beschallen. Danach herrscht aber noch lange keine Ruhe, denn die über den Durst getrunkenen Nachtschwärmer lautsprechern erst noch bis anno ultimo, werfen Müllsäcke und -Kübel um, entledigen sich sorglos ihrer Fastfood-Schachteln auf der Straße, – wozu ist denn schließlich die Stadtreinigung da? -, reihern und urinieren wahllos in Türnischen – hinterlassen mithin ein Schlachtfeld. Und das geschieht nahezu allabendlich während der warmen Jahreszeit. Wo bleibt da die öffentliche Autorität und Ordnungsmacht? Zumal ich mich noch der Zeiten erinnere, daß man sommers dort mit geöffnetem Fenster schlafen konnte. Obgleich die erwähnten Bums-Lokale auch damals schon existierten …

Aber nein, man sonnt sich ja in seinem Image der weltoffenen, südländisch-libertären, stramm ökologisch ausgerichteten, grün-alternativen Vorzeige-Kommune, die freilich jenseits allen medienwirksamen Straßenbahnbaus und Partnerstadtsammelns längst jeglichen Gestaltungswillen aufgegeben hat und einen rechtsfreien Party-Raum kaum wieder unter Kontrolle zu bringen vermag, falls dieser Wille überhaupt vorhanden sein sollte, was doch stark anzuzweifeln ist. Es sei betont, daß ich hier keineswegs einem polizeistaatlich durch-regulierten offentlichen Raum das Wort rede, doch herrscht nicht allerorten eine falsch verstandene Liberalität vor, die jeglicher Form von Rücksichtslosigkeit Tür und Tor öffnet? Aber wenn mal irgendwo ein paar harmlose Kuhglocken bimmeln, dann finden sich doch stets ein, zwei Simpel …