mens sana in natura sana oder mit sich selbst im Grünen sein.
Photographie © LuxOr
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Der leibhaftige Anti-Christ?
Der Tanz auf dem Vulkan?
„Pathologische Verdrängung“?
Das unbekannte Wesen in einem jeden von uns?
Abgründe der Spaßgesellschaft
Photographierte Reiseerinnerungen spiegeln häufig wohl doch bloß eine geschönte, um nicht zu sagen eine „unehrliche“ Realität paradiesischer Zustände wider, in der sich zivlisiert gebende Menschen, ineins mit der Natur, milde lächelnd und wohl temperiert Erholung und Erbauung suchen. Die Wahrheit schaut dann oft eher anders, nämlich fratzig aus. Ähnlich wie die eventualisierte Fasnet mit ihrer maskierenden Transformation wirkt der Ski-Zirkus-Tourismus, indem er den respektive das geneigte Haserl aus dem angepaßten Alltag in den komplett anderen Referenzrahmen der künstlichen Sorglosigkeit einer befreienden Almwelt versetzt, offenbar überaus enthemmend. Ein Virus hat hier demnach auch leichtes Spiel. Wer sich, auch infolge von Gruppendynamik und reichlich fließendem Alkohol, also so weit gehen lassen kann, ist auch zu ganz anderen Taten imstande.
Corona-Ausbruch in Ischgl : Einen Instinkt fürs Tier
- –Aktualisiert am
Warum das Coronavirus ausgerechnet in Ischgl perfekte Bedingungen vorfand, zeigen die Bilder des Fotografen Lois Hechenblaikner. Ein Interview mit dem Kronzeugen des institutionalisierten Wahnsinns.
Als „fotografischer Thomas Bernhard“ wurde der Tiroler Lois Hechenblaikner immer wieder mal bezeichnet, einer, der dahin geht, wo es weh tut und schonungslos mit seiner Kamera draufhält. 26 Jahre lang hat er in seiner Heimat den Après-Ski-Exzess fotografiert. Das Fotobuch „Ischgl“ zeigt nun das abgründige wie abstoßende Ergebnis. Und wer die Bilder sieht, versteht schnell, warum sich das Corona-Virus von Ischgl aus nach ganz Europa verbreiten konnte.
War Corona die Strafe Gottes für die sündhaften Skifahrer?
Jaja, das ist schon so. Ein Freund von mir hat Ischgl mal als die Partnergemeinde von Sodom und Gomorra bezeichnet. Aber nach dem Corona-Ausbruch taten alle so, als könnten sie nix dafür. Das ist dann der alpine Scheinkatholizismus.
(…)
Lois Hechenblaikner: „Ischgl“, Steidl Verlag, Göttingen, 2020
- Aktualisiert am
Sie werden zum Löschen eines Feuers gerufen und sehen sich plötzlich massiver Gewalt ausgesetzt: Dutzende Angreifer attackieren in Dietzenbach Feuerwehrleute und Polizisten. Hessens Innenminister Peter Beuth spricht von einem Hinterhalt und fordert harte Strafen.
(…)
Ja wo leben wir denn, und in welchen Zeiten?
Ist das bloß ein Probelauf, aber einer von vielen?
Wird hier wie dort etwa für den Sturm auf die längst bedrohte Civitas geprobt?
Oder handelt es sich hierbei, falles es sich nicht um politisch motivierte Straftaten dreht, um mehr oder weniger (nach allem, was man mittlerweile so liest, wohl eher letzteres!) spontane gewalttätige Explosionen sozialer Perspektivlosigkeit und Langeweile? Oder auch pure Lust am Krawall? Oder eine Mischung aus alle dem? Wie dem auch sei, früher existierten jedenfalls noch Grenzen und Respekt vor Ersthelfern, vor Rettungskräften. Heute begibt sich zunehmend selbst in Gefahr, wer – teils gar ehrenamtlich – systemrelevant Dienst am Gemeinwesen leistet. Welcher vernünftige Mensch mag sich das hinfort dann noch antun? Und ein Staat sollte sich solch eine Herausforderung seiner Autoriät auch nicht so ohne weiteres bieten lassen, sonst drohen solch anarchische Zustände langsam, aber sicher zum Normalzustand zu werden.
Derweil es auf der anderen Seite des Atlantiks zum wiederholten Male lebensgefährlich zu sein scheint, als Angehöriger einer ohnehin benachteiligten Minderheit zur falschen Zeit am falschen Ort auf die „Polizei, Dein Freund und Helfer“ zu treffen …
Wahrlich, ich bin bekanntermaßen kein Freund der totalen Durchnetzung, auch wenn ich selbst ausgiebigst digital photographiere, kommuniziere und hier eben die geneigte Leserschaft beblogge; die Aussichten einer umfassenden Entgeistigung, physischen Atomisierung, lückenlosen Überwachung und polit-ökonomischen Manipulation sind mir nämlich nicht geheuer.
Gleichwohl mutet es wie eine Geschichte aus Pleiten, Pech und Pannen an, was die Dokumentation Digitale Verlustzone: Wie Deutschland den Anschluß verlor, welche vergangenen Montagabend in der ARD ausgestrahlt wurde, vor der interessierten Öffentlichkeit ausbreitete. Zuse, Nixdorf, die Telefunken-Maus, das mp3-Format des Fraunhofer-Instituts, eine deutsche Suchmaschine, der bereits Anfang der 1980er Jahre angedachte flächendeckende Ausbau mit Glasfaserkabel – vielversprechende Beispiele einheimischer Pioniertätigkeit, welche aber nicht zuletzt auch immer wieder an patent-bürokratischer Ignoranz oder ideologisch-politischer Prioritäten-Verschiebung scheiterte. So weit, so schlecht.
Als Exempel wie man es denn besser machen kann, wird dagegen Norwegen angeführt. Wo die entlegensten Inseln „zum Wohle“ des Tourismus und der Fisch-Industrie schon seit gefühlt ewigen Zeiten ohne Funkloch an das schnelle weltweite Netz angeschlossen sind. Auch Estland wird immer gerne als europäisches Muschderländle der Durch-Digitalisierung gepriesen. Also kleine und/oder reiche Staaten, die im Vergleich mit einem „Supertanker“ wie unsere BRD sich als schneller und wendiger erweisen.
Und auch ich selbst kann eine derartige Erfahrung beisteuern. Mitte der 1990er Jahre verbrachte ich ein Jahr in Linköping/Schweden zum akademischen Austausch. Im Mai/Juni 1996 hatte ich dorten dann meine erste Begegnung mit einem Phänomen, das sich Internet nannte. Von einem befreundeten Austausch-Studenten aus England angestoßen, verbrachte ich damals einige Zeit im Knutpunkt, einem eigens für die Internet-Kommunikation vorgehaltenen großen Raum, der sicherlich über dreißig, vierzig vollausgestattete Arbeitsplätze verfügte. Zu meiner Schande muß ich heute allerdings gestehen, daß ich damals doch noch recht grün hinter den Ohren war und mich also ziemlich planlos durch das Netz bewegte, welches zu dem Zeitpunkt freilich auch noch lange nicht so tief war wie heute. (Heute weiß ich in der Regel zwar schon, wohin ich will, gerate darob gleichwohl bisweilen leicht vom Hundertsten ins Tausendste.) Ich erinnere mich aber zumindest, daß ich aus irgendeinem mir heute schleierhaften Grunde einen Post beim ORF, den ich als Südwestdeutscher niemals zuvor gehört hatte, hinterließ. Der freilich im Nirgendwo verschwand, wie es zunächst schien. (Vielleicht lag es ja einzig und allein an der Langsamkeit des damailigen Netzes, das noch dazu gerade Mittagspause hielt, und der schieren Entfernung, vem vet.) Drum schrieb ich den Post nochmals. Und noch einmal. Am Schluß hatte ich mich dann tatsächlich mit fünf leicht variierten Einträgen verewigt. Wie hochnotpeinlich! Dennoch klopfte alsbald eine Österreicherin, die damals gerade in den USA weilte, bei mir an, und wir mailten dann einige Tage hin und her. (Der Browser damals hieß übrigens „Netscape“, der ehemalige Marktführer, welcher freilich in den Jahren darauf von dem Konkurrenzprodukt einer Firma namens „Microsoft“, welche ihren „Internet Explorer“ in ihr weitverbreitetes eigenes Betriebsprogramm integriert hatte, vollends vom Markt verdrängt wurde – aber das ist eine andere Geschichte.) Zu diesem Zeitpunkt, also während der Semesterferien, wurden auch kilometerweise Kabel in unserem Viertel verlegt, um die dortigen Studentenwohnheime an das Internet anzuschließen. Aber da, Ende Juni, verließ ich Linköping auch schon wieder gen meine alte Heimat und konnte also nicht mehr die unbestrittenen Vorzüge eines eigenen Anschlusses an die große weite virtuelle Welt genießen.
Wie ich dann an meine damalige alma mater zurückkehrte, wurde ich allerdings erstmal gründlich enttäuscht. Statt dem liebgewonnenen bequemen Knutpunkt erwarteten mich mickrige fünf Stehplätze im Foyer der damaligen UB, an denen man noch dazu nicht viel mehr denn Mails verschicken konnte. Und jedes Mal, wenn man gedachte, eine längere Nachricht aufzusetzen und zu verschicken, spürte man im Nacken den heißen Atem der ungeduldig Wartenden, die einem schließlich einen strafenden Blick zuwarfen, sobald man seinen Kurzroman abgeschlossen hatte und sich anschickte endlich zu gehen. Die Elternschaft hatte dann glücklicherweise ein Einsehen und versorgte die Nachkommenschaft mit einer modalen Verbindung. (Was waren das übrigens noch für spannende Zeiten des Verbindungsaufbaus: Einwahl- und Anklopfsignale, zackige Tonfolgen, Rauschen, wie wenn man etwas Maschinelles erst zum Leben erwecken mußte. Heutzutage ist das alles zu einem gänzlich aseptischen Akt verkommen: ein Doppel-Klick, ein Fingertipp. Ähnlich wie beispielsweise auch bei Lokomotiven, die heuer beinah unbemerkt einfach losfahren, während ihnen einstmals mit Klopfen und Stampfen erst Leben ins Gestänge fahren mußte. Eine Art Entlebendigung und Entseelung des Technischen.) Die heimischen Wohnheime schließlich wurden erst um die Zweitausender herum mit dem notwendigen Kabelgewirr versorgt. Keine Atempause also, Geschichte wird gemacht, es geht voran. Oder so ähnlich.
Und ein Epilog: Die Stunden unmittelbar vor Sendebeginn der erwähnten Reportage – es waren mindestens derer sieben – mußte der Tipper dieser Zeilen im Tal der Ahnungslosen verbringen, denn das ganze Viertel um ihn herum hatte den Totalausfall von Internet und Telephonie zu verkraften …
Ein durchaus beachtenswertes Unterfangen, das unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen ist.
Volvo drosselt das Tempo : „Bei 180 ist Schluss“
- –Aktualisiert am
Volvo begrenzt von jetzt an die Höchstgeschwindigkeit seiner Neuwagen. Warum wir das tun. Ein Gastbeitrag des Vorstandsvorsitzenden von Volvo Cars.
Ich habe viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet, und ich habe meine Zeit in diesem Land sehr genossen. Und ich weiß, wie wichtig den Deutschen ihre Autobahn ist. Sie ist tief in der deutschen Kultur verwurzelt und so etwas wie eine heilige Kuh. Die Autobahn, auf der in vielen Abschnitten keine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, ist in der Tat einzigartig. Doch im vergangenen Jahr haben wir bei Volvo Cars eine Entscheidung getroffen, die wir für notwendig hielten. Wir haben beschlossen, die Geschwindigkeit unserer Fahrzeuge zu begrenzen.
Ab jetzt, also mit Produktionsbeginn des Modelljahres 2021, wird jeder neue Volvo mit einer serienmäßigen Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h ausgeliefert. Damit erfüllen wir das Versprechen, das wir letztes Jahr gegeben haben. Mit der Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit unserer Fahrzeuge werden wir nicht alle Schwerverletzten und Todesopfer, die sich in den Zusammenhang mit zu schnellem Fahren bringen lassen, verhindern. Aber wir glauben, dass es wichtig ist, dass die Menschen über die Gefahren des zu schnellen Fahrens reflektieren. Wir wollen, dass sie über Auswirkungen nachdenken, die zu schnelles Fahren haben kann, und über unsere Unfähigkeit, uns jederzeit der Verkehrssituation bewusst zu sein und das Tempo an diese anzupassen.
Uns war klar, dass diese Entscheidung umstritten sein würde, vor allem in Deutschland. Und zweifellos fielen die Reaktionen, die wir erhalten haben, gemischt aus. In gewisser Weise haben wir uns genau das erhofft – und damit bereits ein Ziel erreicht. Die starken Reaktionen zeigten deutlich, dass dieses Thema einen Nerv trifft und Menschen bereit sind, über zu schnelles Fahren nachzudenken. Wir haben für unseren Ansatz und unser Bekenntnis zur Sicherheit im Straßenverkehr viel Zustimmung erhalten. Für viele Menschen steht unsere Entscheidung vollkommen im Einklang mit dem, was sie von der Marke Volvo erwarten.
Aber nicht alle sahen das so. Manche empfanden eine Geschwindigkeitsbegrenzung ihres Fahrzeugs als inakzeptablen Eingriff in ihre persönliche Freiheit. Eine Handvoll Leute sagte sogar: Das war’s, ich interessiere mich nicht mehr für einen neuen Volvo. Natürlich wollen wir keinen Kunden verprellen und keinen verlieren. Aber wir müssen auch dazu stehen, was wir für richtig halten. Und wenn es jemandem so wichtig ist, schneller als 180 km/h zu fahren, dann ist ein Volvo vielleicht nicht das richtige Auto für ihn.
Denn wir haben starke Unternehmenswerte, denen wir uns verpflichtet fühlen, und Sicherheit ist der Kernwert, der unser Unternehmen prägt, seit wir 1927 mit dem Bau von Automobilen begonnen haben. Es gilt, was unsere Gründer sagten: „Autos werden von Menschen gefahren. Das Leitprinzip für alles, was wir bei Volvo machen, ist und muss daher die Sicherheit sein.“ Deshalb sind wir stets ein Sicherheitspionier gewesen. Ein Unternehmen, das nicht folgt, sondern vorangeht. Auch als wir den Dreipunkt-Sicherheitsgurt eingeführt haben, hielten dies einige Leute für unnötig. Als einige Jahre später die gesetzliche Gurtpflicht eingeführt wurde, waren viele Menschen verärgert und sahen nicht ein, warum dieses Gesetz notwendig war. Doch heute wissen wir, dass der Dreipunkt-Sicherheitsgurt ein Lebensretter ist, der aus den Autos nicht mehr wegzudenken ist.
Unsere Sicherheitsforschung zeigt, dass viele Fahrer die Risiken des zu schnellen Fahrens nicht richtig einschätzen. Als Folge davon fahren sie häufig zu schnell und passen ihre Geschwindigkeit nicht der Verkehrssituation an. Wir wollen verhindern, dass Menschen in unseren Fahrzeugen schwer verletzt werden oder ums Leben kommen. Wir sind eines der wenigen Unternehmen, die solch ein ehrgeiziges Ziel glaubwürdig vertreten können. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, können wir uns nicht allein auf Technologie oder physische Sicherheitsstandards verlassen. Wir müssen auch besseres Verhalten fördern und den Menschen helfen zu erkennen, dass zu schnelles Fahren gefährlich ist. Dies ist unsere Verantwortung als Pionier auf dem Gebiet der Automobilsicherheit.
Daher sollten wir uns selbst fragen: Ist die Absicherung der Geschwindigkeit unserer Fahrzeuge auf 180 km/h wirklich eine inakzeptable Einschränkung unserer persönlichen Freiheit? Müssen wir jemals schneller fahren können als 180 km/h? Oder ist das ein kleines Opfer, mit dem wir die Straßen für alle sicherer machen? Die Geschwindigkeitsbegrenzung in neuen Volvo-Fahrzeugen ist nicht für jeden etwas. Das ist uns klar. Aber wenn dieser Schritt dazu beiträgt, auch nur ein Leben zu retten und eine Diskussion über die Gefahren des zu schnellen Fahrens in Gang zu setzen, dann lohnt er sich.
Doch zu bezweifeln bleibt, ob all unsere bundesdeutschen Premiumhersteller – Audi, BMW, Mercedes und Porsche – sich alsbald diesem Exemplum anschließen, müssten sie dann doch eigentlich ihr Geschäftsmodell von Grund auf überdenken und sich quasi vollkommen neu erfinden, bedienen sie doch beinah ausschließlich die Fraktion Bleifuß. Das ist entschieden zu viel verlangt. Heilige Kühe wie die verstandesfreie Raserei mit hochgezüchteten Boliden, freier Unfall mit überraschender Todesfolge für freie Bürger, Kriegsfahrt mit Kilowatt und Pees, werden in der Auto-Bundesrepublik nun mal nicht so ohne weiteres geschlachtet. Weshalb es leider Gottes so schnell wohl auch kein bundesweites Tempolimit geben wird: die ohnehin darbende Auto-Industrie, die Corona-Lockdown-Krise, die Export-Nation Nummer eins, der Wohlstand Deutschlands, Arbeitsplätze … Es sei denn, irgendein namhafter (Volumen-)Autobauer aus Frankreich, Italien, Japan oder Südkorea zöge nach, so daß sich irgendwann ein Domino-Effekt ergebe. Denn seien wir mal ehrlich, 180 km/h sind doch mehr als genug.
Im Übrigen könnte die deutsche Autoindustrie auch aus einem anderem Grunde als einem etwaigen „ethisch-moralischen“ Wettbewerbsnachteil noch gezwungen sein, über die Höchstgeschwindigkeit ihrer Fahrzeug-Flotten nachzudenken. Denn so lange das Problem mit der mangelnden Reichweite, der Verfügbarkeit von Ladestationen und der schieren Dauer des Ladevorgangs nicht behoben ist, dürfte ein Vmax für Elektro-Autos jenseits der zweihundert wohl wenig effektiv sein.
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Endlich wieder einmal eine gute Nachricht
Irgendwie doch kaum zu glauben, aber wahr, die Provinz-Posse um Kuhglockengebimmel geht in die soundsovielte Runde, und das nun schon seit geschlagenen fünf Jahren: Simpel aller Länder, vereinigt Euch! Gestern stand nun gar ein Ortstermin an:
Kuhglocken-Streit: Richter reisen zur Hörprobe an
Streit um Lärm und Gülle : Wenn Richter Kuhglocken lauschen
- –Aktualisiert am
Seit fast fünf Jahren streiten ein Ehepaar und eine Bäuerin um das Geläut von Kuhglocken. Die Richter sind nun zur Hörprobe angereist.
Die Bimmelplage sollte nun also einmal hochoffiziell geprüft werden. Doch das Rindvieh, gar nicht blöde, dachte offenbar gar nicht daran, ausgelassen hin und her zu bimmeln, sondern rührte sich anscheinend gar nicht vom Fleck, alldieweil es sich in guter Hoffnung befindet.
Dem Tipper dieser Zeilen scheint es jedenfalls schleierhaft, wie man wegen eines gemütlichen Gebimmels, das zumal über das Jahr verteilt bloß während zehn Wochen ertönt, depressive Verstimmungen entwicklen kann. Jeder lärmgeplagte und leidgeprüfte Anrainer einer Flughafen-Landebahn, Autobahn oder sonst einer hochfrequentierten Straße, einer Güterbahntrasse oder einer spaßgesellschaftlichen Partymeile würde sicherlich umgehend mit dem klagewütigen Großkopferten tauschen wollen. Allenfalls die Penetranz der ausgebrachten Gülle kann mann gelten lassen. Summa summarum ist freilich festzuhalten, daß hier über Jahre hinweg Gerichtskapazitäten für Nichtigkeiten gebunden werden und also anderweitig fehlen – ganz zu schweigen von den Kosten -, zumal Kläger und Beklagte sich längst schon auf einen Vergleich geeinigt hatten. Ein klarer Fall also für den bayrischen Komödienstadel. Gerhard Polt, übernehmen Sie!
Wie ist zahllosen unschuldigen Opfern
eines unsichtbaren Täters adäquat zu gedenken?
Statt immer nur der schieren nackten Zahl
den realen Toten ein Leben gegeben –
eine lyrische An-Dacht, ein kollektives Denk-Mal!
New York Times : Den Toten eine Stimme
- Von Kai Sina
- -Aktualisiert am 25.05.2020-19:09
Am „Memorial Weekend“ hatte die „New York Times“ eine journalistische Sternstunde: eine Kollektivpoetik des Totengedenkens, das die Tradition von Walt Whitman und Edgar Lee Masters mit der Corona-Moderne verbindet. Namen, nichts als Namen, versehen mit nur jeweils einer persönlichen Angabe, und über all dem die erschütternde Nachricht: „U.S. Deaths near 100 000, an Incalculable Loss“.
Hunderttausend Tote, ein unermesslicher Verlust: Die bilderlose, grafikfreie Titelseite der „New York Times“ vom vergangenen Sonntag ist binnen kurzem zu einer journalistischen Ikone geworden. In Hunderten Kurznachrufen, die aus Dutzenden, insbesondere regionalen Tageszeitungen zusammengestellt wurden, überführt sie die kalte Opferstatistik, die uns alle durch die Corona-Monate hindurch begleitet, in einen Katalog des gelebten Lebens: „Romi Cohn, 91 Jahre, New York City, rettete 56 jüdische Familien vor der Gestapo“; „Jéssica Beatriz Cortez, 32 Jahre, Los Angeles, vor drei Jahren in die Vereinigten Staaten eingewandert“; „Stanley Marvin Grossman, 83 Jahre, Nanuet, New York, vielen bekannt für seine erstaunliche Donald-Duck-Imitation“, „Larry Sartain, 77 Jahre, Des Plaines, Illinois, stand jeden Morgen um fünf Uhr auf, um die Bibel zu lesen“ – und immer weiter so fort.
(…)
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Eine Verschwörungstheorie der anderen Art
Photographie © LuxOr
Der 23. Mai ist ein durchaus geschichtsträchtiger Tag. Da liegt es nahe, an einem solchen Datum zu einem gegebenen Zeitpunkt einmal eine Momentaufnahme der Ereignisse und Einschätzungen im unendlichen Strome der Zeit zu machen, welche im nächsten Augenblick bereits vergangen sein werden, und deren tatsächliche Bedeutung für den weiteren Lauf der Geschichte wir allenfalls erahnen können.
Im Folgenden habe ich daher alle Schlagzeilen, welche Punkt Zwölf Uhr mittags auf der Seite meiner Netzhauspostille präsentiert worden sind, hier aufgelistet. Ein bißchen überrascht war ich jedenfalls von der schieren Menge der Artikel und Nachrichten, es dauerte deutlich länger als erwartet, alle Einträge niederzuschreiben; wenn man geschwind mal herunterscrollt, fällt das einem gar nicht so sehr auf. Freilich geht mit der hohen Zahl auch eine Verbreiterung der angesprochenen Themen und Fachgebiete einher. Ein anregendes Kaleidoskop des menschlichen Lebens in seinen Leistungen, Widersprüchen und Nichtigkeiten gleichsam, ein Schaufenster zur Welt, zu Raum und Zeit, ein Spiegel der Gesellschaft. Oder Politik und Poesie des Alltags. Und mal schauen, woran ich mich in einem Jahr noch erinnern kann, was Bestand hat und was nicht …
Auszüge aus Artikeln der letzten zwei Wochen in der FAZ, die aufrütteln.
Wollte man nun zynisch sein und eine weitere gewagte Verschwörungstheorie in die Welt setzen, könnte man von einem avancierten Versuch sprechen, in diversen Regionen und Staaten jenseits des Ozeans sich der jeweiligen Unterschichten und Minderheiten – leider allzu häufig noch dazu deckungsgleich – auf elegante Weise zu entledigen … Darwin in seiner pseudo-sozialen Ausprägung scheint wieder en vogue. Die virale Auslöschung durch den Kolonialismus wiederholt sich. Willkommen zurück im neunzehnten / zwanzigsten Jahrhundert. Willkommen im Lande der von Regierungsseite exekutierten white supremacy Denn solange eine Gesellschaft eine endemische Durchsetzung insbesondere des Justiz- und Polizeiapparates mit strukturellem Rassismus duldet, wird es leider noch zahlreiche weitere unschuldige George Floyds geben.
Mord an Schwarzem in Georgia : „Immer nur einen Schritt vom Terror entfernt“
- Von Frauke Steffens, New York
- -Aktualisiert am 10.05.2020-19:43
Der Mord an dem jungen Jogger Ahmaud Arbery entsetzt viele Menschen in Amerika. Wieder haben Weiße einen unbewaffneten Schwarzen erschossen, der einfach nur laufen wollte.
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„Im Horrorfilm sterben wir auch zuerst“
Arberys Tod ist für viele Menschen Ausdruck des selben strukturellen Rassismus wie er sich auch in der Coronavirus-Krise äußert, weil besonders viele Schwarze an den Folgen einer Infektion sterben. Einer Analyse der Nachrichtenagentur Associated Press zufolge waren bis Mitte April 42 Prozent der an den Folgen des Coronavirus gestorbenen Amerikaner schwarz – ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 13 Prozent. Von der schlechten Gesundheitsversorgung im ländlichen Mississippi bis zur Verteilung umweltbedingter Asthmafälle in New York, von den Pflegerinnen in Altenheimen über die Insassen der Gefängnisse bis zu den Arbeitern in den Fleischfabriken – Menschen mit mehr als einem Risikofaktor für einen schweren Coronavirus-Verlauf sind sehr häufig nicht weiß.
„Black Lives Matter“ und viele schwarze Bewegungen davor gründeten den Kampf gegen Rassismus auch auf die Beobachtung, dass schwarze Körper noch weit mehr als die der weißen Arbeiter „disposable“ seien – verzichtbar, austauschbar, „wegwerfbar“. Damit gingen sie über die oft von Weißen entwickelte linke Theorie hinaus und fügten ihr Dimensionen hinzu. Die sehen viele nun bestätigt, weil die Industrie und die Regierung auf die Öffnung von Fleischfabriken und ganzen Bundesstaaten drängen, in denen Schwarze besonders oft vom Coronavirus betroffen sind.
(…)
Die aggressiven Proteste der Rechten gegen die Coronavirus-Schutzmaßnahmen und die schnelle Wiederöffnung republikanischer Bundesstaaten sehen manche Kommentatoren als Reaktion von Weißen auf die Tatsache an, dass das Coronavirus überproportional Minderheiten trifft. In Mississippi etwa, wo im April um die 70 Prozent der Verstorbenen schwarz waren, treibt die Regierung die Öffnung trotz leicht steigender Infektionszahlen voran. Die an der Rutgers Universität in New Jersey lehrende Kulturkritikerin Brittney Cooper nannte die schnelle Wiederöffnung der Wirtschaft auf Twitter gar eine „nekropolitische Kalkulation“, eine Inkaufnahme des Todes von mehr Schwarzen als Weißen.
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Indigene Völker : „Wir sind in Gefahr“
- Von Tjerk Brühwiller
- -Aktualisiert am 11.05.2020-10:57
Die Ankunft des Coronavirus in Amazonien bedroht die Urvölker. Ihr Immunsystem ist besonders anfällig. Quarantäne- oder verstärkte Hygienemaßnahmen sind dort kaum umzusetzen.
(…)
Immer mehr Corona-Tote : Brasiliens Jagd nach einem traurigen Rekord
- Von Tjerk Brühwiller, São Paulo
- -Aktualisiert am 21.05.2020-16:24
Das Coronavirus wurde von Brasilianern der oberen Einkommensschicht aus Europa ins Land getragen – und verbreitet sich nun rasant in den ärmeren Bevölkerungsschichten.
(…)
Zum Vatertag
DER SICHERE STAND
Einst kletterte ein Kletterer über einen berüchtigten ungemein brüchigen Grat empor – und fürwahr! er war ein kühner Bursche: denn selbst von Zacken mit Zipperlein (die nur noch den erlösenden Rülps ersehnten, um die Fahrt nach dem Friedhof tief unten im Kar antreten zu können) rief er denen, die hinter ihm her kletterten, zu:
„Kommt immer nur nach! Habe sicheren Stand!“
Und einmal hielt er sich gar nur mit zwei Fingerspitzen der Hand an einem kaum sichtbaren Griff, doch schon rollte er rasch mit der Rechten das Seil ein und schrie:
„Sicherer Stand!“
– da seufzte sein Griff und brach ab: kopfüber flog er aus der Mutterwand und mit ihm unser Kletterer, während ein scharfer Stein schmunzelnd das Seil durchbiß – und erst nach fünfhundert Metern klatschte er wie eine reife Pflaume auf eine breite Geröllterrasse. Aber sterbend schrie er noch seinen Gefährten zu:
„Nachkommen! Sicherer Stand!“
War das ein Optimist!!
Ödön von Horváth: Der sichere Stand, Sportmärchen, in: Ders: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Gedanken eines Aufrechten. Herausgegeben von Anna Schloss, Wiesbaden 2018, S. 108.
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
ei! wir thun dir nichts zu Leide,
flieg’ nun aus in Wald und Heide!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
such’ in Blumen, such’ in Blümchen
dir ein Tröpfchen, dir ein Krümchen!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
kehre heim mit reicher Habe,
bau’ uns manche volle Wabe!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
bei den heilig Christ-Geschenken
wollen wir auch dein gedenken –
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
wenn wir mit dem Wachsstock suchen
Pfeffernüss’ und Honigkuchen.
Summ summ summ!
Bienchen summ’ herum!
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Summ, summ, summ! (1835/43)
Oder wie Honig entsteht und welche Bienen
– possierliche Tierchen, nützlich und unersetzlich –
wieso von uns neuerdings vernichtet werden:
Der deutsche Ordnungswahn,
ethnisch reine Wiesen und Kulturen, Furcht vor Vielfalt, Zyklon B …
Darmstadt: Rasende Frau sucht Nervenkitzel
In Darmstadt ist aus einer gewöhnlichen Polizeikontrolle eine Verfolgungsjagd geworden. Eine Autofahrerin hat es darauf angelegt, um ein wenig „Gangster-Luft“ zu schnuppern.
(…)
Denn merke: Herren sind herrlich und Frauen sind … 🙂
Steckt nicht in jedem von uns irgendein Möchtegern-Rowdy,
sind wir nicht alle in bßchen bluna?
Und so schlimm kann es gerade wohl auch nicht um uns bestellt sein …
Lieber ein Lügner als ein Gleichgültiger oder ein Einfaltspinsel.
Ersterer hat nämlich immerhin ein kreatives Verhältnis zur Realität,
zur Wahrheit,
und kann demnach auch nicht ohne sie …
Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit.
(Ödön von Horváth, Geschichten aus dem Wiener Wald)
Überheblichkeit allerdings auch …
Für die Narretei, wichtige vierte Säule im Staate, tät ich aber unbedingt noch den Lindners ihr Christian nominieren wollen – oder gleich die gesamte Effdepe, da ist ist doch immer eine/r für unfreiwillige Komik gut … 😉
dummheit ist nicht „wenig wissen“, auch nicht „wenig wissen wollen“,
dummheit ist „glauben, genug zu wissen“.
Photographie © LuxOr
Frage:
„Wer schrie vor Freude, als das Blau geboren wurde?“
Antwort:
„Niemand anders als ein Außerirdischer muß es gewesen, der vor Freude schrie, als er zusah, wie die Erde, der blaue Planet, geboren wurde.“
Quellen:
Die Frage: Eine Zeile aus Pablo Nerudas „Buch der Fragen“
Frage und Antwort in: Christa Wolf: Ein Tag im Jahr im neuen Jahrhundert 2001-2011. Herausgegeben von Gerhard Wolf, Berlin 20133, S. 23.
Deutscher Verkehrssicherheitsrat fordert Tempolimit mit Ausnahmen
Der Verkehrssicherheitsrat – eine große Dachorganisation bestehend aus Vertretern so heterogener Mitglieder wie „das Bundesverkehrsministerium und die Verkehrsministerien aller Bundesländer sowie Automobilklubs, alle großen deutschen Autohersteller, Unfallversicherer, Personenbeförderungsunternehmen, Wirtschaftsverbände wie der VDA, aber auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), Gewerkschaften und Kirchen“ – tritt nun nach einer Vorstandssitzung gestern also endlich mit deutlicher Mehrheit für ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auf bundesdeutschen Autobahnen ein, samt Ausnahmen zwar, doch bislang galt ja die umgekehrte Regel.
Mögen notorisch gaspedal-nötigende Gegner nun aber nicht, wie sonst üblich, mit dem Argument kommen, der Fahrspaß, gar ein urdemokratisches Freiheitsrecht sei mit einem solchen Entscheid, so er denn dann tatsächlich in die Tat umgesetzt werden sollte, entschieden bedroht. Denn wann stellt sich ein solcher denn überhaupt ein, möchte man fragen, angesichts eintöniger kilometerlanger Geraden resp. endlos weiter Bögen, wo der ungebremste Vortrieb mit zweihundert Sachen, gerne auch mehr, doch meist jäh unterbrochen wird – in Vor-Pandemie-Zeiten jedenfalls. So mann oder frau oder kannsichnichtentscheidenmalsomalsoes nicht gerade in frühsten Morgenstunden ziel- und sinnlos rüber brettert. Nein, wenn schon Fahrspaß, dann allenfalls auf winkligen Landstraßen oder im Gebürg auf der Suche nach der Ideallinie. Ohne Überstrapazierung der erlaubten Geschwindigkeit freilich. Und wer darob dann gar meint, mit der Freiheitskeule schwingen zu müssen, offenbart bloß, daß es ihm an überzeugenden Argumenten in der Sache mangelt, weshalb er die Auseinandersetzung auf die polit-philosophische Ebene verlagert, um sein Gegenüber als Verbotsapostel mit autoritären Aspirationen zeihen zu können.
Papier ist bekanntlich geduldig. Und vielleicht findet der verkehr-te Minister Scheuer (CSU) auch noch vermeintlich alternativlose wirtschaftliche Gründe dagegen und zugunsten der einheimischen Premiumhersteller Audi und BMW. Doch wenn sich zuvor bereits ein Gaspedal-Urgestein wie der ADAC im vorigen Dezember in der Causa Tempolimit hinfort für neutral erklärt, läßt das zumindest hoffen, daß in Sachen Verkehrssicherheit, Schadstoffausstoß und Klima ein bißchen Vernunft auf den Straßen einziehen möge …
Zum geneigten Weiterlesen:
Geschichten, Schritte und Beobachtungen
Geschichten mitten aus dem Leben; über Momente die uns prägen, Freude, Schmerz, Hoffnung und Schicksal dem wir täglich begegnen. Ein kleiner Blick ins Innere, ein Blick hinter die Tür.
Gedichte, Gedanken, Texte
pictures and thoughts
Lese- und Lebensdinge
jeder tag ein anderes datum
Matthias Weisgerber online