Archiv für den Monat November 2019

Der Leuchtengast

Auch zum Ersten Advent.

Photographie © LuxOr


PS in eigener Sache: Mit dem vorigen Beitrag darf ich mir übrigens selbst zum hundertundfünfzigsten Eintrag gratulieren. Lieben Dank also auch den treuen und interessierten Lesern. Und frisch auf und einen angenehmen Adventssonntag!

Wenn eine naive Justiz das Geschäft von Rechtsextremen betreibt …

Heute in der Allgemeinen Zeitung für Deutschland zu lesen:

„Wahlplakate der NPD mit dem Aufdruck „Migration tötet“, die die rechtsextreme Partei während des Europawahlkampfes verwendet hatte, erfüllen nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen (Az.: 4 K 2279/19.GI) hervor, das bereits Anfang August erging und über welches das Redaktionsnetzwerk Deutschland und das Rechtsmagazin „Legal Tribut Online“ am Samstag berichteten.

„Nach vorstehenden Ausführungen ist der Wortlaut des inkriminierten Wahlplakats ‚Migration tötet‘ nicht als volksverhetzend zu qualifizieren, sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten“, heißt es in dem Beschluss. Zur Begründung führt der verantwortliche Richter den Verlauf von Wanderungsbewegungen aus der Zeit von 3000 vor Christi Geburt bis in die Gegenwart ins Feld. Zudem verweist er auf Zahlen, die für Deutschland belegen sollen, dass es durch Zuwanderer zu mehr Sexual- und Tötungsdelikten gekommen sei.

Einen besonderen Einfluss weist er den Folgen der Flüchtlingskrise von 2014 an zu. Sie habe die Gesellschaft verändert, zum Tode von Menschen geführt und könne langfristig das Ende der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland nach sich ziehen.

Der NPD dürfe es daher nicht verwehrt werden, „mit den Plakaten auf möglicherweise in Deutschland herrschende Missstände hinzuweisen und für ihre Ziele zu werben“, sagte der Richter, der damit zugleich auf den Auslöser der Klage zurückkam. Vor der Europawahl waren in der hessischen Gemeinde Ranstadt (Wetteraukreis) im Mai dieses Jahres Plakate der rechtsextremen Partei entfernt worden. Bürgermeisterin Cäcillia Reichert (SPD) rechtfertigte die Aktion seinerzeit mit dem Hinweis darauf, dass die Plakate Angst vor Ausländern schüre. Zudem werde die Menschenwürde von Zuwanderern in Deutschland verletzt, indem sie als potentielle Mörder stigmatisiert würden.“

Formallogisch betrachtet, mag das teils in der Tat zutreffen. Aber diesem Slogan ist ganz offensichtlich eine gewissse Doppeldeutigkeit in der Aussage eigen. Und dieser Subtext trägt eine menschenverachtende rechtsextreme Botschaft in die Gesellschaft hinein. Wie kann man also derart naiv argumentieren und damit das Geschäft von Rechtsextremen, die sich darob wohl genüßlich ins Fäustchen lachen und sich artig bedanken, betreiben, als ob es keine Normen hinter dem Recht gebe? Und wieso existiert denn überhaupt ein Paragraph gegen Volksverhetzung, wenn die Hürden hierfür derart hoch sind?

Des Rätsels Lösung: Der betreffende Richter am Verwaltungsgericht Gießen ist diesbezüglich offenbar kein Unbekannter und also leider keineswegs naiv zu nennen (PS, 02.12.2019).

PPS, 05.12.2019, nicht nur der Vollständigkeit halber: Der betreffende Richter teilt sich der dpa mit und plädiert auf Fehlinterpretation. Dabei bemerkt er aber bemerkenswert selbstkritisch:

„Als Richter muss man sich aber auch Kritik gefallen lassen und auch als Anlass nehmen, eigene Verhaltensweisen zu bedenken und gegebenenfalls künftig anders und unmissverständlicher zu formulieren.“

Der andere Blick.

Wenn die Abende wieder länger werden,

wärmt man sich, heimelig illuminiert, in gemütlicher Runde an einem Heißgetränk …

und wappnet sich damit gegen die Kälte draußen.

Photographie © LuxOr

Echt jetzt? Oder Witzichkeit kennt keine Grenzen …

Durch die Effdepe sind wir diesbezüglich ja schon lange verwöhnt. Doch nun reiht sich auch der BDI ein und macht sich um unsere Lachmuskeln verdient. Denn die Herren Industriellen und ihre parlamentarischen Leichtmatrosen bekräftigen, passend zur Eröffnung der Fasenacht, ihre kinderträumerischen Weltraumvisionen.

„FDP und BDI fordern mehr Geld : Der Weltraumbahnhof ist kein Witz“

Er wolle zwar keine Raketen aus der Friedrichsstraße steigen lassen, ein deutscher Weltraumbahnhof sei dennoch sinnvoll, findet Industrie-Präsident Kempf. Die FDP pflichtet ihm bei – und will die Weltraumwirtschaft „entfesseln“

Selten so gelacht, zumal die sonst so staatsfernen liberalen Marktverfechter plötzlich nach staatlichen Subventionen rufen! Vielleicht sollten die Liberalen und die Industrie-Bündischen zuallerst einmal die deutsche Planungs- und (Tief-)Bau-Kompetenz „entfesseln“, um Bauprojekte konventioneller Verkehrs- bzw. Transportmittel, bspw. gewisse Bahnhöfe und Flughäfen, in vertretbarer Zeit zu kalkulierbaren Preisen schlüsselfertig fertigzustellen. Und ob das Schicksal der deutschen Wirtschaft ausgerechnet im Orbit zu suchen und finden ist – mal ganz abgesehen von viel naheliegenderen Baustellen in diesem unserem Staate -, hält der Schreiber dieser Zeilen doch für etwas zu phantastisch. Denn sonst heißt es demnächst, Deutschlands Sicherheit wird nicht mehr, wie einst, am Hindukusch verteidigt. Sondern in den Weiten des Raumes. Und schließlich hat die finale Forderung des Weltraum-Sprechers nach einer deutschen Astronautin keineswegs mit der liberalen Sorge um Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Nein, sondern dahinter steckt die Absicht, dem galanten „Astro-Alex“ Gerst eine adrette Astro-Amazone zur Seite zu stellen, welche dann als apartes Weltraum-Pärchen publikumswirksam zu Propagandazwecken herumgebeamt werden können.  „Beam us up, Scotty!“

 

berückende November-Melancholie

Einjeder mag sich hier wohl irgendwie erkennen ..

 (The Cure. Wish. Fiction Records 1992)

ars gratia artis?

Oder der musische Zweck heiligt die pekuniären Mittel.

Zugegeben, der Schreiber dieser Zeilen weiß nicht um die finanzielle Lage seiner Landeshauptstadt. Aber wieso soll es Stuttgart anders ergehen als vergleichbaren Städten? (Auch wenn der Motor-City dank Daimler, Porsche & Co manche Steuergelder extra zufließen.) Durch die Kessellage ist der Bauplatz naturräumlich beschränkt. In Verbindung mit vergleichsweise hohen Löhnen und Gehältern treibt das die Mieten. Die sich viel zu viele dann doch kaum leisten können. Und dorten sind Straßen und Brücken in Teilen vermutlich ähnlich marode. Ganz zu schweigen von öffentlichen Gebäuden, insbesondere Schulen. Und wahrscheinlich wird dort auch mehr als genug verdienstvollen sozialen oder auch basisdemokratischen Initiativen bzw. alternativen Kunstprojekten die Unterstützung zusammengestrichen.

Demzufolge läßt sich fragen, inwieweit es sich heutzutage noch rechtfertigen läßt, bis zu eine Milliarde (!) Euro zur Sanierung der hiesigen Oper aufzuwenden. Ein paar Nummern kleiner ging es etwa nicht? Oder mag man auf gar keinen Fall auf Carrara-Marmor, Gold und Elfenbein verzichten? Oder ist das allfällige Bestechungsgeld hier bereits eingepreist? Der Neubau der Elbphilharmonie zu Hamburg nimmt sich dagegen mit rund 860 Mio. Euro beinah wie ein Schnäppchen aus.

Man liest nun, der Einbau einer modernen Kreuzbühne ermögliche raschere Wechsel des Bühnenbildes. Und man hört nun, das weltbekannte Ballett erhalte damit eine angemessene Heimstatt. Doch welchen Nutzen haben Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher auf dem platten Lande schließlich von einem gekünstelten Gehüpfe vor variabler Kulisse eines generalsanierten Dreispartenhauses für die obere Mittelschicht an aufwärts? Denn das Land und die Stadt teilen sich die Kosten des zu erwartenden Milliardengrabs dieses Schaufensters. Aber Stuttgart hat ja Erfahrung mit bodenlosen Löchern.

Damit wir uns richtig verstehen.: gerade in Zeiten einer vielfach beschriebenen Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, einer vielfach konstatierten Verrohung des Umgangs und einer besorgniserregenden Vergiftung des Diskurses ist die Darbietung von Kunst – und hierunter zählt der Verfasser selbstverständlich auch das Tanztheater – als Reflex einer tiefenpsychologischen Verfassung der Gesellschaft und deren etwaiger Korrektur wichtiger denn je. Doch die Frage bleibt: wie exklusiv und um welchen Preis?

PS, 14.11.2019: Berlin kontert derweil künstlerisch mit dem millionenschweren Ent-Wurf des modernen Scheunentores! Wo man sich auch umschaut, überall Pleiten, Pech und Pannen …

So ist das Leben!

Zu Allerseelen

Am Schluss sind alle immer blöder
Und hängen meistens am Katheder
Die allerwenigsten werden Leichenträger
Aber jeder wird vom Leichenträger einmal Auftraggeber.

So endet das Leben
In Paris begraben sie den Pariser
In Schrunns-Tschgunns den Schrunns-Tschgunnzen
Alles Blunzen
Alles Blunzen

Alles Bluuuunzen
Is eh wurscht
Wies kommt so kommts
Alles Blunzen
Zu was denn
Wofür denn
Des is mir doch so egal
Is ma wurscht
Des is mir so egal
Da könnte ich gar nicht sagen was ich lieber hab
Des is ma so wurscht
Machts euch nicht ins Hemad
Is eh wurscht wies kummt so kummts
Irgendwann hörts auf.

Aus: Josef Hader – So ist das Leben (Josef Hader: Privat. Geco Tonwaren, 1995)

Ach, wir sind ja alle so ökologisch-grün bewegt!

Eine weitere Folge unsere beliebten Serie des Freiburg-Bashings.

Das Statistische Jahrbuch auf 2018 weist für die Stadt Freiburg – selbsternannte Green City, die sich eines gut ausgebauten Öffentlichen Personennahverkehrs mit StraBa, Bus und S-Bahn rühmt (deren Verwaltung sich derzeit allerdings allzu häufig in irrational anmutenden Männerphantasien von Baumfällaktionen ergeht), deren Bevölkerung sich im Image einer grün-alternativ-aufgeklärten Lässigkeit sonnt und wo im vergangenen September im Zuge der Fridays-for-Future-Bewegung rund 20.000 Menschen für eine ambitioniertere Klimapolitik auf die Straße gegangen sind, – mit 117.198 Einheiten die bislang höchste Dichte zugelassener Kraftfahrzeuge aus (S. 95 resp. 125 im pdf-Dokument).