Archiv für den Tag 17. September 2017

ver-Sprach-licht: Vom Nutzen

Wie ich mich vor Kurzem mit Tierfällen beschäftigte, fiel es mir mal wieder überdeutlich ins Auge: Die Vielfältigkeit menschlicher Nutzanwendungen. So kennen wir die Nutz-Fläche, was das auszunutzende dreidimensionale Volumen eines (Stau-)Raumes, der Kofferraum eines Kraftfahrzeuges bspw., bezeichnen kann. So weit, so gut. Dann verstehen wir aber auch die zur Verfügung stehende zweidimensionale Ausdehnung an Boden darunter; eine wie auch immer geartete Landschaft, frei zum Ge-Ver-Brauch: zur Bebauung und Versiegelung, Bepflanzung, oder Abholzung, Abweidung, Abbau … . Häufig baut man dort auch Nutz-Pflanzen an. Und da beginnt man dann hellhörig zu werden. Im Umkehrschluß impliziert diese Benennung doch: Wenn es also Nutz-Pflanzen gibt, muß es unweigerlich auch unnütze Pflanzen geben. Gemeinhin als Ungeziefer verunglimpft, fällt es in der Regel der „Ausmerze“ anheim (wer hat darob eigentlich die Definitionsmacht?).
Davon gar nicht so verschieden verfährt der Mensch mit der Tierwelt. Von Ungetier wird hier zwar weniger gesprochen; Ratten oder Mäuse, die üblichen Verdächtigen also, aber auch andere, in der Regel in romantischer Tradition positiver konnotierte Wildtiere wie Vögel oder Biber, Hasen und Wölfe ereilt gleichwohl häufig ein dem Ungeziefer ähnliches Schicksal. Ob das Los von Nutz-Tieren (oder auch „tierischen Sportgeräten“) indes erstrebenswerter ist? Denn die Kuh wird so lange gemolken, wie sie Milch gibt. Will sagen: Jede „Nutzung“ ist biologisch begrenzt durch Alter und individuelle Leistungsfähigkeit. Diese sucht man maximal zu steigern und auszubeuten durch „fördernde“ Maßnahmen wie extreme Verringerung des Platzangebotes oder exzessive Gabe chemischer Präparate. Ist die arme Kreatur dann wie eine Zitrone bis zum Letzten ausgequetscht oder hinreichend gemästet, geht es meist auf die (noch dazu allzu häufig viel zu lange) Reise, doch eben nur zur Vollendung ihrer einzigen Bestimmung, der fabrikmäßigen Schlachtung nämlich. Und dies allein aufgrund einer simplen Kosten-Nutzen-Rechnung im Zeichen einer instrumentellen Vernunft, dem Menschen zum Behagen.
So weit, so pervers. Aber warum um alles in der Welt ist unsere überfeinerte Zivilisation dann eigentlich so zimperlich bzw. nicht so ehrlich mit sich selbst und spricht auch vom Nutz-Menschen?